Ralf Flierl: “Ab Mitte 2013 dürfte dann der Crack-up-Boom beginnen.”

7.9.2012 – Ralf Flierl, Chefredaktuer des Magazins “Smart Investor” im Interview mit misesinfo.

Ralf Flierl

Herr Flierl, Ihr Magazin “Smart Investor” widmet der “Österreichischen Schule” schon lange Zeit ein eigene Rubrik. Sie erwarten einen “Crack-up-Boom” – ein Begriff, den Ludwig von Mises prägte. Wie muss man sich einen solchen Boom vorstellen?

Zu einem solchen „Crack-up-Boom“ oder zu deutsch auch „Katastrophenhausse“ kommt es kurz vor dem Zusammenbruch eines Papiergeld-Regimes. Der Staat versucht dann die Wirtschaft mit Interventionen vor dem totalen Kollaps zu bewahren und die Zentralbank druckt Geld als gäbe es kein Morgen mehr. Dieses viele Geld verursacht eine galoppierende Inflation, was bei den Menschen zu einer Kaufpanik führt. Jeder will dann sein Geld möglichst schnell loswerden, weil es am nächsten Tag schon weniger wert ist. Die große Hyperinflation in Deutschland während des Jahres 1923 war ein solcher Crack-up-Boom.

Im Frühsommer haben Sie in einem Interview gesagt, dass dieses Szenario nicht unmittelbar bevorsteht. Das war vor den Wahlen in Frankreich und Griechenland. Hat sich Ihre zeitliche Einschätzung mittlerweile geändert?

Ursprünglich hatten wir in der Tat für den Zeitraum 2012/2013 den Crack-up-Boom gesehen. Und in der Tat wurden vor allem in Frankreich natürlich schon die „richtigen“ politischen Weichen dafür gestellt. Warum wir dennoch an einen kurzen rezessiv-deflationären Umweg glauben, hat mit der bisherigen kontraktiven Wirtschaftspolitik innerhalb der EU zu tun. Die Sparauflagen für die PIGS-Staaten werden dort – mit einer gewissen Zeitverzögerung – zu derart drastischen Konjunktureinbrüchen führen wie derzeit in Griechenland oder Spanien, dass sich im Gefolge der Exportweltmeister Deutschland diesem Abwärtssog nicht entziehen können wird.

Und erst wenn Deutschland ein richtiges konjunkturelles Problem bekommt, wird man alle Sparbemühungen über den Haufen werfen. Denn Deutschland ist der einzige bzw. wichtigste Mitgliedsstaat, welcher den EU-Karren derzeit zieht. Und erst dann, vermutlich ab Mitte 2013 dürfte dann der Crack-up-Boom beginnen. Denn bis dahin wird man von allen Austeritätsmaßnahmen Abstand genommen haben, dann wird man wirtschafts- und geldpolitisch nur noch auf dem Gas stehen; und dafür sind natürlich die linke Politiker wie Francois Hollande oder der Keynesianer EZB-Chef Mario Draghi genau die „richtigen“ Protagonisten.

Die in einem “Crack-up-Boom” zu erwartende Fluchtbewegung aus dem Gut “Geld” ist aber doch sicher nicht mit 1923 vergleichbar. Das Wohlstandsniveau ist heute deutlich höher und einen “dritten Kühlschrank und noch einen Fernseher” braucht niemand. Wohin wird das Geld dann fließen?

In einem Crack-up-Boom geht es nicht so sehr darum, etwas hoch Sinnvolles zu erwerben, sondern möglichst schnell seine Geldscheine loszuwerden. Ich könnte mir vorstellen, dass die Menschen dann wie verrückt Edelmetalle oder Immobilien kaufen – was sie ja teilweise jetzt schon tun –, oder aber Lebensmittel horten. Selbstredend werden in einem Crack-up-Boom die Preise für wichtige Güter wie Lebensmittel und Energie ohnehin sehr stark ansteigen.

Wie lange könnte ein “Crack up Boom” dauern und wie hat man sich die Situation danach vorzustellen?

Aufgrund des exponentiellen Anstiegs der Preise benötigt ein Crack-up-Boom bis zu seiner Vollendung nicht sehr viel Zeit. Ludwig von Mises sprach einmal in einer seiner seltenen Andeutungen in Richtung Crack-up-Boom von einer Dauer von wenigen Wochen bis Monaten. Je nachdem, wo man den Beginn ansetzt, kann ich mir auch 12 Monate vorstellen. Aber es wird vermutlich schon ein überschaubarer Zeitrahmen sein. Ein Crack-up-Boom endet in dem Moment, in dem eine Währunsgsreform durchgezogen wird. Damit ist nicht nur eine Währungsumstellung, z.B. durch das Streichen von Nullen auf den Banknoten gemeint. Vielmehr wird dabei ein Schnitt bei den Staatsschulden stattfinden. Das heißt, alle Staatsanleihen werden ganz oder teilweise wertlos. Und dies bedeutet, dass alle Vermögen, die solche Staatsanleihen beinhalten, ebenfalls im gleichen Maße wertlos werden. Davon sind dann z.B. (Lebens-)Versicherungen, Pensionskassen usw. betroffen, im Grunde der gesamte Finanzsektor. Also jeder, der einen Anspruch auf zukünftige Zahlungen innehat, wird quasi über Nacht enteignet werden. Dies kommt einer Verarmung weiter Teile der Bevölkerung gleich.

Unser Geldsystem ist so konstruiert, dass neues Geld durch Kredit entsteht, also durch Kredittilgung oder Kreditausfälle auch wieder verschwindet. Wie hätte man sich denn eine Situation vorzustellen, in der die Schulden nicht durch Inflation, sondern durch Deflation verschwinden, wenn man also zulassen würde, dass Banken und auch Staaten Pleite gehen?

In einem Fiat-Money-System wie im derzeitigen, wo Geld aus dem Kreditakt, also durch Schaffung von Schulden entsteht, verursacht ein großer Kreditausfall enorme Schäden im Gesamtfinanzsystem – Stichwort: Systemcrash bzw. Bankrun. Deswegen sind unsere Politiker ja so sehr darauf bedacht, solche Situationen zu vermeiden. In einem von uns favorisierten Geldsystem, in welchem Geld ein Sachwert ist und somit ihm keine Schulden gegenüberstehen, kann ruhig ein großer Schuldner Pleite gehen. Zwar wird sein Gläubiger dann ein Problem haben, aber es kommt eben nicht zu einer fatalen Kettenreaktion wie in einem Schuldgeldsystem. Das ist der entscheidende Unterschied.

Beschreiben Sie Ihr favorisiertes Geldsystem doch bitte etwas näher.

Es handelt sich um ein sogenanntes „Free Banking System“, d.h. es gibt keine Zentralbanken, sondern die Geld-Kreation findet durch private Unternehmen bzw. Banken statt. Das klingt auf den ersten Blick sehr unrealistisch oder gar verwunderlich. Genau deshalb würden die Menschen Geld immer recht argwöhnisch gegenüber stehen und daher nur solches akzeptieren, von dem sie sich des Wertgehaltes sicher sind, also in erster Linie Edelmetalle bzw. damit unterlegtem Geld. Es liefe also vermutlich auf Sachgeld hinaus – im Gegensatz zum heutigen Schuldgeld. Letzteres hat ein Kontrahentenrisiko, d.h. jedem Geld-Inhaber steht ein Geld-Schuldner gegenüber, und genau das ist unser heutiges Problem bei all den Krisen. Ein Effekt wäre z.B.: Im Gegensatz zum heutigen „Central Banking System“ könnte sich der Staat in einem „Free Banking System“ nicht über Geschäftsbanken, die dank der Notenbanken beliebig Geld vermehren können, laufend über seine Verhältnisse verschulden. d.h. er wäre zur Haushaltsdisziplin gezwungen. Ein anderer Effekt wäre, dass jede geschäftliche Chance untrennbar mit einem geschäftlichen Risiko verbunden wäre. Damit wären die Wirtschaftssubjekte vorsichtiger, da sie sich nicht auf staatliche Hilfe, auf Greenspan-Puts oder Dogmen wie „too big to fail“ verlassen könnten.

Wie könnte denn der Übergang vom heutigen Geldsystem zu einem Free Banking System von statten gehen? Reibungslos kann das doch nicht funktionieren?“

Nur in der Theorie kann so etwas reibungslos von statten gehen. In der Praxis werden sich die Machthaber des alten Systems so lange nur irgend möglich an das alte System klammern. Man muss sich das wie damals in der DDR vorstellen. Erich Honecker und seine Mannen gaben ja auch erst auf und öffneten die Mauer, als der Kampf nicht mehr zu gewinnen war. Erst wenn es gar nicht mehr anders geht bzw. die Politiker von der Realität eingeholt werden, geben sie auf. Davon sind wir aber noch ein gutes Stück weg. Auf dem Weg dahin werden sich die politischen Eliten noch einige Gemeinheiten gegenüber ihrem Volk ausdenken – Stichwort: Finanzielle Repression.

Was ist unter “Finanzieller Repression” zu verstehen?

Die Amerikaner  versuchten sich nach dem 2. Weltkrieg über Inflationierung aus der Schuldenfalle zu befreien – zumindest vorübergehend, und auch nur relativ  – absolut stiegen die Schulden weiter.

Damals betrieb man – wie heute – Financial Repression, welche den Lebensstandard der breiten Bevölkerung schmälerte, da die Löhne nicht mit der Inflation mithalten konnten. Die wesentliche Maßnahme dazu besteht in der künstlichen Drückung der Zinsen durch die Zentralbanken. Wenn in einem solchen Szenario eine Inflation bzw. Teuerung erzeugt wird, dann entschuldet sich der Staat damit und aufgrund der dann negativen Realrenditen werden die Sparer enteignet. Dadurch wird automatisch eine Flucht der Anleger raus aus dem Geld in Sachwerte verursacht. Und daher gehen mit einer solchen Zinsdrückung auch andere Maßnahmen einher wie z.B. Kapitalverkehrskontrollen oder bestimmte Zwänge oder Verbote für bestimmte Investments. Hier wären als Beispiel ein Verbot von Goldbesitz oder Zwangshypotheken oder die gerade diskutierte Reichensteuer zu nennen.

Der relative Abbau der Verschuldung gelang den Amerikanern damals aber nur, weil die USA noch sehr stark im Wachsen begriffen war und zudem nach dem Krieg viel Aufbau- bzw. Ersatzinvestitionen nötig waren. In Deutschland kam es ja parallel dazu zum Wirtschaftswunder. Heute wäre das nicht mehr möglich, da die westlichen Volkswirtschaften ausgereift sind. Insofern kann ich Ihnen keine Hoffnung machen: Sich aus der Schuldenklammer herauszuinflationieren ist nicht mehr möglich, auch wenn dies einige Ökonomen behaupten.

Welche Konsequenzen könnte es für die arbeitsteilige Wirtschaft haben, wenn der Geldwert zerstört wird?

Ihre konjunktivische Frage ist schon verkehrt. Fakt ist, dass alle Papierwährungen seit ihrem Anbeginn laufend zerstört werden. Um ein Beispiel zu bringen: Die so tolle D-Mark hat in ihrer rund 50jährigen Geschichte nahezu 90% ihrer Kaufkraft eingebüßt. Was ist Zerstörung, wenn nicht das? Die Konsequenz dieser laufenden Kaufkraftvernichtung ist zum einen eine ständige Verwirrung der Wirtschaftssubjekte über die wirklich sinnvollen Preise. Und zum anderen eine stetige Umverteilung von unten nach oben. Denn ein reicher Mensch kann sich sehr einfach gegen Teuerung schützen, indem er sein Vermögen in Sachwerte anlegt. Ein armer Mensch hat kein Vermögen, sondern gibt sein gesamtes Einkommen für Güter aus, und die werden ständig teurer. D.h. in einem inflationären System ist es völlig logisch, dass die Pole Arm und Reich auseinanderdriften. So einfach sind die Zusammenhänge, und doch haben es so wenige Politiker verstanden. Oder wollen es nicht verstehen, weil die Konsequenz dann wäre, ihre Finger aus dem Markt zu nehmen. Das aber würde für sie Machtverlust bedeuten.

Die Welt wird aber nicht stehen bleiben. Verbreiten Sie zum Schluss bitte noch etwas Hoffnung…

Natürlich geht die Welt nicht unter, wenn unser Geldsystem crasht. Irgendwann wird es wieder zu einer guten Geldordnung kommen, also z.B. zu einem Goldstandard, der zumindest die jetzigen Fehlentwicklungen – Stichwort: wellfare und warfare Staat – nicht zulassen würde. Besser noch wäre, es käme zu einer wettbewerblichen  Geldordnung – Stichwort: „Free Banking“. Dies wäre die natürlichste Geldordnung, sie steht aber derzeit überhaupt nicht zu Debatte. Dies wird vermutlich erst so weit sein, wenn wir der jetzigen und zukünftigen sozialistisch-totalitären Entwicklungen völlig überdrüssig sind. Die Frage ist letztlich nur, wie viel davon wir uns noch gefallen lassen.

Vielen Dank, Herr Flierl.

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Der 1965 bei Regensburg geborene Ralf Flierl studierte an der Münchner Universität, wo er Anfang der 90er Jahre seinen Abschluß als Dipl-Kaufmann machte. Nach einer Analystentätigkeit für den Börsenbrief FINANZWOCHE (Dr. Jens Ehrhardt) wechselte er im Jahre 1999 zur GoingPubic Media AG. Dort war er zunächst stellvertretender Chefredakteur und später Leiter des Research für das GoingPublic Magazin. Im Jahre 2003 gründete er zusammen mit der GoingPubic Media AG das Magazin Smart Investor, dessen Chefredakteur er seitdem ist. Smart Investor sieht sich als Magazin für den anspruchsvollen und erfahrenen Investor. Mehr Informationen unter www.smartinvestor.de

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