WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geld
  3. Devisenreserven: Liegt das Gold der Bundesbank wirklich in New York?

Geld Devisenreserven

Liegt das Gold der Bundesbank wirklich in New York?

Der Notgroschen der Bundesrepublik ist 113 Milliarden wert – und glänzt. Es ist der zweitgrößte Goldschatz der Welt, zumindest der Theorie nach. Aber wo sind die Barren? Eine Suche.

Es ist die eiserne Reserve für schlechte Zeiten, und sie glänzt im wahrsten Sinne des Wortes: Für den Fall der Fälle verfügt die Bundesrepublik Deutschland über rund 3390 Tonnen Gold. Sie haben derzeit einen Marktwert von etwa 113 Milliarden Euro. Es ist der zweitgrößte Goldschatz der Welt, nach dem der USA. Jedenfalls theoretisch. Denn so recht hat niemand nachgesehen in den vergangenen Jahren, ob das Gold tatsächlich noch da ist – und den Deutschen auch noch gehört.

Nur ein relativ geringer Teil dieser goldenen Währungsreserven, rund ein Drittel, liegt nämlich in den Tresoren der Bundesbank in Frankfurt am Main. Der Rest verteilt sich auf Banken in mehreren westlichen Ländern. Knapp die Hälfte liegt in New York, rund 122.000 Barren in den unterirdischen Tresoren der amerikanischen Zentralbank Fed (Federal Reserve). Weitere, kleinere Depots befinden sich in London und in Paris.

Das hat damit zu tun, dass der Schatz der Bundesrepublik in den Jahren des Kalten Krieges möglichst weit entfernt von der Ost-West-Grenze gelagert wurde, um vor einem russischen Überfall sicher zu sein. Doch auch fast 25 Jahre nach dem Fall der Mauer hat sich daran nicht viel geändert: Ein Großteil des deutschen Goldes blieb in den USA. Immer wiederkehrende Forderungen, das Gold heim ins Land des Wirtschaftswunders zu holen, wurden von Bundesbank und Bundesregierung jahrelang zurückgewiesen.

USA haben die größten Goldbestände

Je weiter der Schuldenberg der USA wächst (aktuell mehr als 17 Billionen Dollar), desto größer könnte die Versuchung werden, auf Goldreserven als Pfand zurückzugreifen. Es ist bekannt, wie wichtig zum Beispiel dem größten Gläubiger der USA, China, physisches Gold ist. Die Amerikaner sitzen mit 8133 Tonnen Gold auf den weltweit größten strategischen Reserven des Edelmetalls. Ob etwas davon verpfändet ist und wenn ja, wie viel, gehört zu den großen Geheimnissen des Mythos Gold.

Welcher Goldbarren wem gehört, diese Zuordnung verschwimmt immer mehr. Stattdessen gibt es Zertifikate: Gold, das vor allem auf dem Papier existiert. Papiergold. Man gerät hierzulande schnell in den Verdacht, Verschwörungstheorien anzuhängen, wenn man Genaueres über den Verbleib der deutschen Goldreserven wissen will und sich nicht mit beschwichtigenden Antworten der Bundesbank abspeisen lässt. Das erfuhren auch wir immer wieder, seit wir vor mehr als zwei Jahren mit unseren Nachforschungen begannen. (Wir begannen unsere Recherche damals auf Anregung des Informationsdienstes „Hauptstadtbrief“.)

Wo liegt wie viel Gold? Ist es wirklich noch vollständig vorhanden? Ist es beliehen oder verliehen – und kann die Bundesbank im Bedarfsfall tatsächlich darüber verfügen? Auf solche konkreten Fragen hatten die Bundesbanker damals bestenfalls ausweichend geantwortet, am liebsten aber gar nicht, unter Verweis auf Geschäftsgeheimnisse der Partner-Notenbanken. So teilte Bundesbank-Sprecherin Susanne Kreutzer auf die Anfrage, wann ihre Mitarbeiter letztmalig die deutschen Goldreserven besichtigt hätten, im Frühjahr 2012 kurz und knapp mit: „In Abstimmung mit den betroffenen Lagerstellen gibt die Bundesbank hierzu keine Auskunft.“

Bis Ende 2013 wurden 37 Tonnen Gold zurückgeholt

Schweigen ist eben Gold. Erst durch beharrliches Nachfragen von Journalisten und Politikern brachen auch bei den deutschen Notenbankern goldene Zeiten von Glasnost und Perestroika an: Im vergangenen Jahr kündigten sie schließlich an, einen großen Teil der im Ausland gelagerten Goldreserven zurück nach Deutschland zu holen. Bis Jahresende 2013 wurden aber nur 37 Tonnen Gold mit einem Wert von 1,1 Milliarden Euro aus Paris und New York in die Frankfurter Tresore verlagert. In diesem Jahr sollen es immerhin deutlich mehr sein: Aus New York kämen 30 bis 50 Tonnen Gold nach Frankfurt zurück, aus Paris 50 Tonnen, erklärte die Bundesbank.

Ein Anfang ist gemacht – natürlich „nicht, weil wir Zweifel haben, ob es wirklich vorhanden ist“, wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann betonte. Vielmehr, so die Begründung, sehe ein neues Lagerstättenkonzept eine Aufstockung der heimischen Bestände vor. Während die in London deponierten 445 Tonnen auf der Insel bleiben sollen, damit man sie im Bedarfsfall jederzeit am Goldmarkt anbieten kann, sollen aus den Depots in Paris und New York bis 2020 insgesamt 700 Tonnen zurückgeführt werden, kündigte Weidmann an. Dann würde etwa die Hälfte der deutschen Goldreserven in heimischen Tresoren lagern.

Seit das Vertrauen in den Euro erschüttert ist und die Finanzmärkte zusehends nervöser werden, geht auch hierzulande die Sorge um, ob insbesondere die Goldbarren bei der New Yorker Fed wirklich vollständig vorhanden sind – nachdem sich die Deutschen jahrelang für ihren Goldschatz nicht besonders interessiert haben. Eine schwierige Frage.

Die Fed soll deutsches Gold nur verwahren

Anzeige

Beantworten kann sie nur, wer durch Inaugenscheinnahme und Vergleich der Barrennummern mit den Bestandslisten die Existenz der deutschen Goldbarren regelmäßig überprüft. Das aber hat man nicht getan, sondern sich über Jahre auf eine Bestandsbestätigung der Fed verlassen. Die war Bundesbankchef Jens Weidmann lange Zeit offenkundig genug. Sonst, so sagte uns ein hochrangiger Bundesbanker, könne man sich ja auch nicht mehr auf Staatsanleihen verlassen.

Und überhaupt: Auch ein Sparer lasse sich nicht regelmäßig von seiner Bank das dort deponierte Bargeld vorzeigen. Das Beispiel macht, quasi aus Versehen, den entscheidenden Unterschied deutlich: Geld, das man bei der Bank gegen Zinsen anlegt, wird von der Bank wiederum gegen Zinsen verliehen. Es „arbeitet“ – oder sollte es jedenfalls.

Das Gold als physisch nicht vermehrbares Edelmetall indessen liegt nicht bei der Fed, damit diese damit arbeitet. Sie soll es nur sicher verwahren. Würde es verliehen, verleast, als Sicherheit verpfändet oder verkauft, wäre es nicht mehr sicher. Man hätte einen konkreten Wertgegenstand gegen das Versprechen eingetauscht, eine bestimmte Menge Goldes zurückzubekommen, wenn man es braucht. Man hätte Gold gegen Papiergold eingetauscht.

Magische Goldvermehrung mit ETFs und Gold-Futures

Bevor wir zu dem Verbleib der Goldreserven recherchierten, wäre es uns nicht in den Sinn gekommen, dass der alte Traum der Alchemisten inzwischen Wirklichkeit geworden ist. Der Versuch zur künstlichen Goldherstellung findet nur nicht mehr wie in mittelalterlichen Zeiten im Labor statt, sondern in der Bank, und zwar mit zunehmendem Erfolg. Die Zaubermittel der modernen Alchemie heißen nicht Holzkohle, Schwefel und Quecksilber, sondern Gold-Future (Optionshandel), Gold-ETFs (Exchange-traded Funds) oder Gold-Leasing.

Mit ihnen lässt sich „Gold“ auf dem Papier beliebig vermehren, solange – scheinbar – ein Bezug auf reales Gold gewahrt ist. Wo immer es ist, wem immer es gehört. Solange der Erwerber fest davon überzeugt ist, dass er es im Bedarfsfall auch bekommt, scheint es sicher. Wenn aber alle, die Ansprüche auf physisches Gold haben, diese auch realisieren wollen, ist das virtuelle Metall im Zweifel so viel wert wie das Papier, auf dem das Zertifikat gedruckt ist.

Die nächste naheliegende Frage ist: Werden diese Zaubermittel auch auf das deutsche Gold angewandt oder nicht? Die mit Kennziffern versehenen Barren gehören der Bundesrepublik Deutschland und dürfen von der Fed nur zum Abstauben angefasst werden – nicht aber gegen verbriefte Goldforderungen umgetauscht werden. Dass die deutschen Barren, die bei der Fed lagern, regelmäßig in Augenschein genommen werden, ist zur Beantwortung der Frage also unerlässlich.

Gauweiler erkundigt sich nach dem deutschen Gold

Ende 2010, noch bevor die Staatsverschuldung der USA ins Uferlose schoss, hatte der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler mit mehreren schriftlichen Anfragen an die Bundesregierung bereits begonnen, diese Frage aufzuwerfen. „In welchen Abständen werden die Bestände der Deutschen Bundesbank bei der Federal Reserve Bank tatsächlich körperlich in Augenschein genommen, und wann ist dies zuletzt geschehen?“, wollte er am 13. Dezember 2010 etwa wissen.

Anzeige

Die Bundesregierung räumte damals in ihrer Antwort ein, dass Bundesbankmitarbeiter offenbar letztmalig am 11. Juni 2007, also noch vor der Bankenkrise, „in Begleitung von zwei für die Schlüsselführung verantwortlichen Mitarbeitern der Federal Reserve Bank (...) die Tresoranlagen betreten und besichtigt“ hätten.

Etwas später, vor mehr als zwei Jahren, machte sich auch der Bundesrechnungshof auf die Suche nach dem deutschen Gold. Im Rahmen der jährlichen Bundesbankbilanz hatten die obersten Finanzkontrolleure des Bundes die Kontrolle der Goldreserven untersucht. Diesen Bericht forderte der Haushaltsausschuss des Bundestags im Mai 2012 an.

Aber sein Inhalt war offenbar so brisant, dass ihn die Volksvertreter fast ein halbes Jahr lang nicht zu lesen bekamen. Die Bundesbank wollte den Bericht nicht ohne eigene Stellungnahme veröffentlichen lassen. Und für die ließ sie sich dann ordentlich Zeit.

Kleinkrieg um Bundesbank-Inventur

Hinter den Kulissen tobte derweil ein Kleinkrieg zwischen Bundesbank und Bundesrechnungshof über die Inventur der deutschen Goldbarren. Die obersten Finanzkontrolleure des Bundes hatten vorab durchblicken lassen, dass sie ganz und gar nicht mit der von der Frankfurter Bundesbank seit Jahren geübten Praxis des vornehmen Wegschauens einverstanden seien.

Die Frankfurter hingegen beriefen sich auf die Testate ihrer Wirtschaftsprüfer. Die hätten bislang nie das Verfahren zur Kontrolle der Goldbestände bemängelt, bekräftigte Bundesbank-Sprecherin Susanne Kreutzer. „Für jede Lagerstelle gibt es eine sogenannte ,Barrenliste‘“, so Kreutzer, „in welcher unter anderem die eindeutigen Barrennummern des aktuellen Bestands aufgeführt sind.“

Diese Listen befänden sich im Original bei der Deutschen Bundesbank und würden bei Bestandsveränderungen jeweils aktualisiert. „Durch die Barrenlisten ist an allen Lagerorten eine eindeutige Zuordnung der Barren sichergestellt. Eine Vermischung mit Beständen Dritter ist dadurch ausgeschlossen“, erklärte die Bundesbank-Sprecherin.

Bundesbank vertraut auf Zusicherungen der Fed

Statt sich selbst ein Bild zu machen, vertrauen die Bundesbanker nach wie vor auf die Zusicherungen ihrer ausländischen Kollegen. „Zusätzlich zu den Barrenlisten“, sagte Sprecherin Kreutzer, „erhält die Bundesbank jährlich Bestandsbestätigungen der Verwahrstellen, mit denen der jeweilige Bestand an Feinunzen bestätigt wird.“ Vertrauen ist gut, Kontrolle wäre vielleicht besser.

Schließlich bekamen die Mitglieder des Haushaltsausschusses im Oktober 2012 den Rechnungshof-Bericht doch noch zu Gesicht – um festzustellen, dass in ihrer Fassung wesentliche Teile auf Veranlassung der Bundesbank geschwärzt worden waren. Es schien, als ob es um ein Staatsgeheimnis ging. Und vielleicht war es das ja auch. Selbst der oberste Souverän der Republik, der vom Volk gewählte Bundestag, schien nicht vertrauenswürdig genug zu sein, die ganze Wahrheit über das Gold zu erfahren.

Zwischen den geschwärzten Zeilen konnte man dennoch lesen, dass die Kritik des Bundesrechnungshofs an den Staatsbankern ungewöhnlich scharf ausfiel. In dem 21-seitigen Bericht stellten die Finanzkontrolleure des Bundes nüchtern fest, die im Ausland gelagerten Goldbestände seien „noch nie von der Bundesbank selbst oder durch andere unabhängige Prüfer körperlich aufgenommen und auf Echtheit und Gewicht geprüft worden“.

Die Bundesbank verlasse sich lediglich auf schriftliche Bestätigungen der Verwahrstellen, anders als bei den in Deutschland gelagerten Goldbarren, die physisch kontrolliert würden. Fazit des Berichts: „Angesichts des hohen Wertes“ der Goldbestände im Ausland halte es der Bundesrechnungshof „handelsrechtlich“ für erforderlich, auch diese Goldbestände „in regelmäßigen Zeitabständen mittels geeigneter Stichproben körperlich aufzunehmen“. Im Klartext: Deutsche Beamte sollen nach London, Paris und New York fahren, die Barren in die Hand nehmen und prüfen, ob alles in Ordnung ist.

Bundesbank hält Stichprobeninventur für unnötig

Die Bundesbank widersprach umgehend. Solche Stichprobeninventur sei unnötig und in den ausländischen Lagerstellen auch unmöglich. „Zweifel an der Zuverlässigkeit entbehren jeder Grundlage und hätten erhebliche politische Implikationen“, teilte das Institut mit. Was wohl nichts anderes heißen kann als: Wenn wir das in den USA gelagerte Gold nachzählen, sind die Amerikaner aufgrund des ihnen entgegengebrachten Misstrauens schwerstens beleidigt.

Der für das Auslandsgold zuständige Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele nannte die Gold-Diskussion in Deutschland „zum Teil schon einigermaßen grotesk“. Deutschland ließe sein Gold „seit Jahrzehnten beanstandungsfrei von den hoch angesehenen Notenbanken der USA, Großbritanniens und Frankreichs verwahren und nicht von irgendwelchen windigen Geschäftspartnern“.

Was er nicht sagte, war, dass Frankreich unter seinem Präsidenten de Gaulle das französische Gold einst in den 1960er-Jahren mit Atom-U-Booten von der hoch angesehenen Notenbank aus New York nach Paris geholt hatte. Der General traute den Amerikanern wohl nicht ganz so sehr, wie es die Deutschen tun.

Auch innerhalb der Bundesbank gab es durchaus unterschiedliche Positionen. Einige in der Spitze sahen die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Partnerbank Fed als albern und politisch explosiv an. Andere wünschten sich, die deutschen Goldvorräte „nach Hause“ zu holen, wie es ein hochrangiger Bundesbanker formulierte. Die einfache Formel aus der Spitze der Bundesbank, dass man dann auch keine US-Staatsanleihen mehr kaufen dürfe, wenn man Zweifel an der Seriosität der Fed hege, zog da sogar hausintern nicht mehr.

Manche Bundesbanker waren offenbar der Ansicht, die goldenen Währungsreserven der Deutschen seien nach dem Ende des Kalten Krieges besser in Deutschland als jenseits des Atlantik aufgehoben.

Abgeordnete erhalten nur geschwärzten Inventurbericht

In seinem Begleitschreiben an die damalige Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Petra Merkel von der SPD, bedauerte es der Präsident des Bundesrechnungshofs Dieter Engels „außerordentlich, Ihnen einen mit Schwärzungen versehenen Bericht vorlegen zu müssen“. Diese Schwärzungen, so Engels weiter, „beziehen sich insbesondere auf Vereinbarungen der Bundesbank mit ausländischen Notenbanken, den Umfang der bei diesen Notenbanken gelagerten Goldbestände sowie auf entsprechende Prüfungsergebnisse der Internen Revision des Bundesbank“.

Deshalb bestand die Tabelle mit der Aufschlüsselung, wo die deutschen Goldschätze lagern, zur Gänze aus schwarzen Balken. Die Verteilung der Goldbestände wollte die Bundesbank den Parlamentariern nicht verraten. Alles streng geheim und hoch sensibel.

2007 waren Bundesbank-Mitarbeiter im Fed-Tresor

Laut Rechnungshof-Bericht hatten letztmalig im Juni 2007 „auf mehrmalige Nachfragen seitens der Internen Revision der Bundesbank“ deren Vertreter die Gelegenheit, „die Tresoranlagen zu betreten und sich einen Eindruck von den Sicherheitsvorkehrungen zu verschaffen“. Allerdings erhielten die Mitarbeiter „keinen Zutritt zu den Kompartiments der Bundesbank im Keller der New Yorker Fed, sondern lediglich zu einem Vorraum. Eine Bestandsaufnahme war daher nicht möglich“, konstatieren die Rechnungshof-Prüfer. Kontrolle also unerwünscht.

Die Seite 11 in dem Bericht schien besonders brisant zu sein, denn sie war vollständig geschwärzt. Auf dieser Seite, so konnte man aus dem nachfolgenden Text im Bericht schließen, wurde das Verfahren beschrieben, mit dem die Fed in Form von Stichproben die Echtheit und die Vollständigkeit der verwahrten Goldbarren gegenüber den Besitzern nachweisen will.

Doch genau diese Beschreibung wurde den Mitgliedern des Haushaltsausschusses durch die Schwärzungen vorenthalten. Klar und deutlich war dagegen die nachfolgende Bewertung im Bericht der Finanzkontrolleure: „Ein Rückschluss auf das vollständige Vorhandensein der in der Liste verzeichneten Barren ist auf Basis dieser kleinen (0,03 Prozent der Grundgesamtheit) und zudem von der Fed im Vorfeld restringierten Stichprobe nicht möglich.“

Rechnungshof kritisiert die Bundesbank

Das angewandte Verfahren, kritisierte der Bundesrechnungshof, genüge nicht hinreichend den Anforderungen eines gesetzlich geregelten Inventurverfahrens. „Zur Echtheit des Goldes kann sich die Bundesbank mangels eigener Prüfung nur auf die Qualitätszusage der Fed verlassen, die eine auf Feinunzen lautende Bestandsbestätigung erteilt“, stellt der Bundesrechnungshof fest.

Die rund 122.000 deutschen Barren in Manhattan, jeder etwa 12,5 Kilogramm schwer, dürften gestapelt in drei Doppelgaragen passen – wenn die Barren zugänglich wären, wäre eine Zählung also weniger aufwendig als die jährliche Inventur in einem mittelgroßen Supermarkt. Doch die Begründungen, warum das nicht geschehen war, wechselten. Mal hieß es, die Barren im Keller der Fed seien so eng gestapelt, dass dort niemand durchkäme. Dann hörte man, zu viel Misstrauen gegenüber den USA könnte zu diplomatischen Verstimmungen führen. Und selbst die hohen Kosten für einen Flug über den Atlantik wurden als Begründung ins Feld geführt.

Nach der Kritik des Rechnungshofes erklärte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele zunächst, man wolle an der Auslandsverwahrung auch in Zukunft grundsätzlich nichts ändern. Es sei wichtig, sagte Thiele, Gold an internationalen Goldhandelsplätzen zu halten, um es im Notfall binnen kürzester Zeit als Währungsreserve verfügbar zu haben. „Gold, das bei Ihnen zu Hause im Tresor liegt, können Sie nicht so einfach als Sicherheit verwenden, um an Devisen zu kommen“, erklärte der Bundesbanker. Leichter, so könnte man daraus schließen, sei es, das Gold schon vorher jenen zu übergeben, von denen man in Krisenzeiten Dollars erwerben möchte.

Doch was, wenn die Aufpasser selbst mehr unter Druck sind als die rechtmäßigen Eigentümer? Können die wirklich noch auseinanderhalten, was ihnen gehört und was sie nur verwalten? Und warum nehmen sie eigentlich kein Geld oder Gold dafür, dass sie im Keller die Schätze anderer vor Raub und Flut sichern und verwahren? „There is no such thing as a free lunch in this world“, sagt ein angloamerikanisches Bankersprichwort. Zu Deutsch: „Nichts im Leben ist umsonst.“

Ein Gentlemen’s Agreement?

Theoretisch kann jede Notenbank ihr in den USA gehortetes Gold jederzeit abrufen. Doch wenn es zu viele tun? Schon einmal war das Gold knapp in den USA. Damals wussten sich die verantwortlichen Politiker zu helfen, wie der „Spiegel“ in seiner Ausgabe 4/1968 berichtete. Dieser ausführliche Beitrag gab für uns auch den entscheidenden Hinweis darauf, was sich hinter den verschlossenen Tresoren der Notenbanken abspielen könnte, wenn es auch heute nicht mehr darum ginge, Dollars gegen Gold einzutauschen.

Um die riesigen Defizite in der amerikanischen Handelsbilanz auszugleichen, hatten die USA Ende der 1950er-Jahre Gold im Wert von umgerechnet 34 Milliarden Mark (rund 17 Milliarden Euro) verkaufen müssen. Die US-Goldvorräte, damals noch in Fort Knox gehortet, schmolzen auf nur noch 48 Milliarden Mark, von denen allein 42 Milliarden durch die damals vorgeschriebene Vierteldeckung des Banknotenumlaufs gebunden waren.

„Wenn beispielsweise Deutschlands Bundesbankpräsident Karl Blessing seine Dollarreserven im Wert von neun Milliarden Mark zum Umtausch vorlegen würde“, so der „Spiegel“ damals, „wäre Fort Knox in Kentucky pleite, und Präsident Johnson müßte den Goldwert des Dollar sofort drastisch kürzen.“

Bundesbank schonte in den 60er-Jahren US-Goldreserven

Eine Abwertung des Dollar gegenüber dem Gold hätte in den 1960er-Jahren aber das Ende der US-Finanzherrschaft in der westlichen Welt bedeutet, und deshalb, so der „Spiegel“, habe schon 1960 der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower über seinen Finanzminister Robert B. Anderson den westeuropäischen Notenbankiers ein Gentlemen’s Agreement abgezwungen: „Sie sollten den amerikanischen Goldschatz schonen und die überschüssigen Dollar statt in Barrengold in Schuldscheine des amerikanischen Schatzamts umtauschen.“

Für dieses Entgegenkommen sei, so Anderson, die US-Regierung bereit, jährlich drei bis fünf Cent auf jeden Dollar zu zahlen, der in diese US-Staatstitel angelegt würde. Dem stimmten die Regierungen in Bonn, Brüssel, Den Haag, London und Rom zu und hielten still. So wurde aus echtem Gold stillschweigend Papiergeld mit Rabatt.

In einem Brief vom 30. März 1967 ging Blessing auf die Sorge der Amerikaner ein, die Bundesrepublik könne die Ausgaben der in Deutschland stationierten US-Truppen in Gold umtauschen und so die amerikanischen Goldreserven plündern. Demgegenüber wies Blessing darauf hin, dass Deutschland im Gegenzug zu den US-Ausgaben in den USA Rüstungsgüter kaufe und dass Deutschland keine Dollars in Gold umgetauscht habe.

Er versprach, dies auch in Zukunft nicht zu tun. „Der Brief gilt leider heute noch, den ich damals geschrieben habe“, sagte Blessing 1971 zum „Spiegel“ im letzten großen Interview vor seinem Tode. „Ich hätte damals rigoroser sein müssen gegenüber Amerika“, meinte der 71-Jährige damals. „Die Dollar, die bei uns anfielen, die hätte man einfach rigoros in Gold umtauschen müssen.“

1971 wurde die Koppelung des Dollar an Gold aufgegeben

Drei Monate darauf, im Sommer 1971, wurde die Koppelung des Dollars an das Gold aufgegeben. Die Frage drängte sich für uns auf: Gibt es heute wieder ein solches heimliches Gentlemen’s Agreement? Etwa der Art: Wir, die USA, sichern euch zu, dass ihr einen Anspruch auf soundsoviel Gold habt – aber schaut nicht allzu genau hin, wo die Barren heute liegen oder an wen sie zwischendurch verliehen worden sind?

Auch in den USA ist inzwischen eine politische Debatte darüber entbrannt, welchen Wert die vermeintlich in Fort Knox oder in der Fed gehüteten Schätze noch haben, wenn sie still im Keller ruhen. Die ultrakonservative Heritage Foundation in den USA, mit dem republikanischen Kongressabgeordneten Ron Paul an der Spitze, fordert von Präsident Barack Obama sogar, die Notenbank zu schließen und die Goldvorräte zu verkaufen.

Ron Paul wurde 2012 über die Grenzen der USA hinaus bekannt als zeitweiliger Konkurrent von Mitt Romney um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner und als „Tea Party“-Mitbegründer. Abgesehen davon, dass mit dem gegenwärtigen Wert der US-Goldreserven (rund 340 Milliarden Dollar) die gigantische Staatsverschuldung nur um rund zwei Prozent reduziert werden könnte, würde der Goldpreis sofort einbrechen, wenn die US-Vorräte den Markt überschwemmten – sofern sie überhaupt noch vorhanden sind.

So genau weiß das auch in den USA niemand. Der letzte Präsident, der die Goldvorräte mit eigenen Augen gesehen haben soll, war Harry Truman vor mehr als 60 Jahren, als er Fort Knox besuchte.

Gold und Goldforderungen

Auch die Bundesbank weiß nicht wirklich, was mit ihrem Gold in den Kellern der New Yorker Fed geschieht. Offenbar führten ihre Mitarbeiter noch nie einen detaillierten Abgleich der Barren-Nummern mit den Bestandsverzeichnissen der Bundesbank durch. Schon auf eine diesbezügliche Frage des Abgeordneten Gauweiler hin hatte die Bundesregierung darauf verwiesen, dass sich Mitarbeiter der Bundesbank vor Ort lediglich die getroffenen Maßnahmen zur Sicherung der Bestände erklären ließen und stichprobenweise Bestandsprüfungen durchgeführt hätten. „Die Frage ist“, so Gauweiler, „ob ein Großteil der physischen Goldreserven nur noch aus bloßen Goldforderungen besteht. Ob also ein wesentlicher Teil verliehen wurde.“

Denn seit 1998 unterscheidet die Bundesbank in ihren Bilanzen nicht mehr zwischen physischem Gold und Goldforderungen. Der Verbleib lässt sich damit noch schwerer nachvollziehen. Inzwischen ist nicht einmal mehr klar, ob die Deutschen lediglich einen Anspruch auf eine bestimmte Menge Gold haben – das würde dem Spiel auf dem Goldmarkt Tür und Tor öffnen. Wer wollte noch feststellen können, ob das „deutsche“ Gold nicht längst verleast, verkauft oder als Bürgschaft für amerikanische Schulden eingesetzt wird. Es wäre noch nicht einmal feststellbar, ob die Barren der Bundesbank überhaupt noch in Manhattan lagern – oder vielleicht längst in Peking.

Im April 2010 machte die Bundesbank zum ersten – und letzten Mal – offizielle Angaben über den Anteil sogenannter Goldforderungen an den deutschen Goldbeständen. „Gemäß der Rechnungslegungsgrundsätze des Europäischen Systems der Zentralbanken werden physisches Gold als auch nicht physisches Gold wie Goldforderungen gemeinsam in der Bilanzposition Aktiva 1 ausgewiesen. Die Goldforderungen umfassen insbesondere verliehene Goldbestände sowie Sichtguthaben bei Geschäftspartnern. Der Anteil an Goldforderungen liegt hierbei höchstens im einstelligen Prozentbereich.“

Bei einem Wert für die Goldbestände von rund 113 Milliarden Euro kommt man bei einem „einstelligen Prozentbereich“ für Goldforderungen bei 1 Prozent immerhin auf eine Summe zwischen 1,13 Milliarden und rund 11 Milliarden Euro. Inzwischen, so stellte die Bundesbank im vergangenen Jahr klar, sei keinerlei deutsches Gold mehr verliehen.

Bundesbank führt Journalisten deutsches Gold vor

Aber ist das sicher? Einen gewissen Bestand an Goldbarren, dekoriert mit einem schwarz-rot-goldenen Fähnchen, könnte die Fed noch jeden Tag vorführen. Mit der Aufgabe der genauen Kontrolle konkret verzeichneter und nummerierter, also real existierender Goldbarren, ist der Schritt vom physischen zum metaphysischen Wert des Goldes getan. Papier für Gold. Im Ersten Weltkrieg hieß die Devise, „Gold gab ich für Eisen“, als der Kaiser die Wertsachen patriotischer Deutscher einsammeln ließ. „Gold gaben wir für Papier“, könnte das Motto der Bundesbanker in Frankfurt sein, die anscheinend gar nicht mehr genau wissen wollen, was ihnen eigentlich gehört.

Aber warum hat die Bundesbank nicht bei der Fed physisch die Existenz der deutschen Goldbarren geprüft, sondern sich lediglich auf eine Bestandsbestätigung der Fed verlassen, dass sie vorhanden seien? Auf eine entsprechende Anfrage von uns begnügte sich die Bundesbank 2012 lediglich mit dem allgemeinen Hinweis: „Die seit vielen Jahren angewandte Buchinventur und die ergänzenden Bestätigungen der Verwahrstellen entsprechen den gesetzlichen Vorschriften und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung.“

Aber genau das bezweifelte dann kurz darauf der Bundesrechnungshof in seinem kritischen Bericht. Die Bundesbanker waren dadurch erheblich unter Druck geraten. Deshalb luden sie am 16. Januar 2013 zum Pressegespräch nach Frankfurt am Main. Einziges Thema: „Deutsche Goldreserven“. Ort der Veranstaltung: das Gästehaus auf dem streng gesicherten Gelände der Bundesbank-Zentrale. Die Resonanz war gewaltig. Etwa 30 Reporter nationaler und internationaler Medien sowie mindestens ein Dutzend Fotografen und Kameraleute folgten dem Lockruf des Goldes. Von Kuwait bis Los Angeles war am Tag darauf von dieser Veranstaltung zu lesen.

Bundesbank zeigt nur 20 Gold-Barren vor

Selten hatten wir uns als Journalisten so gut bewacht gefühlt. Ohne Ausweis- und Personenkontrolle kam niemand in den großen Versammlungsraum. Und das aus gutem Grund. „Hinter Ihnen stehen zehn Millionen“, flüsterte ein leitender Mitarbeiter der Bundesbank und deutete in Richtung einer unscheinbaren grauen Metallbox in der Größe eines Kühlschranks, die von Sicherheitsexperten und Wachpersonal abgeschirmt wurde. Ihr Inhalt: zwanzig Goldbarren aus den Reserven der Bundesrepublik Deutschland, insgesamt rund 250 Kilogramm oder 8040 Feinunzen und damit ein Dreizehntausendstel des deutschen Goldbestandes von rund 3390 Tonnen.

Die Botschaft, die von dem Gespräch in Frankfurt ausgehen sollte, wurde schnell klar: Die deutschen Goldreserven sind noch da, und sie sind sicher. Für die 20 vorgezeigten Goldbarren galt das definitiv. „Das Thema Gold“, so Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele auf der Veranstaltung, „ist in Deutschland mit vielen Emotionen belegt.“ Sein Institut wolle „mehr Transparenz schaffen, um damit im Land Vertrauen aufzubauen“.

So schien bei der Bundesbank ein neues Zeitalter der Öffnung angebrochen zu sein, nachdem sie in Sachen Goldreserven lange Zeit nur gemauert hatte. Hier in Frankfurt wurden wir Zeugen, wie in aller Offenheit diskutiert wurde, was jahrelang als Staatsgeheimnis galt: wo der verteilte Schatz der Deutschen liegt, wie er dort gelagert wird, und wie man feststellen will, wie viel von ihm noch übrig ist.

Bundesbank zeigt Video von eigenem Tresor

In den eigenen Tresoren in Frankfurt, das hatte sogar der Bundesrechnungshof bestätigt, war anscheinend alles unter Kontrolle. Die eigenen Bestände, damals immerhin 82.857 Barren (derzeitiger Wert: rund 31 Milliarden Euro), waren, wie in einem eigens für die Veranstaltung hergestellten Videofilm zu sehen war, in den unterirdischen Tresoren fein säuberlich gestapelt. So war jeder einzelne Barren zugänglich und mit seiner Nummer sowie weiteren Kennzeichen auf den ersten Blick zu identifizieren.

Ganz anders aber die Verhältnisse in den unterirdischen Tresoren der Fed, wo damals genau 122.597 deutsche Goldbarren verwahrt wurden. In einzelnen Kompartiments wurden sie wie Ziegelsteine zu Mauern aufeinandergeschichtet, und zwar dicht an dicht in mehreren Reihen. „Diese Goldwände“, musste auch Bundesbank-Vorstand Thiele einräumen, „werden erst mit erheblichem körperlichem Aufwand zugänglich.“

Möglicherweise ist das einer der auch im Wortsinn schwerwiegenden Gründe, weshalb die zuständigen Mitarbeiter der Bundesbank in den vergangenen Jahren in New York keinen Zutritt zu den Kompartiments erhalten hatten, sondern lediglich zu einem Vorraum. Tatsächlich reicht ein Blick auf die Goldwand bei der Fed aus, um festzustellen, dass die Bestände in dieser Schichtung nicht in Augenschein zu nehmen sind.

Nummerierung der Goldbarren bei Fed nicht prüfbar

Ein Goldbarren trägt die Registrationsnummer auf der Stirnseite. Bei der Fed sind die Barren so gestapelt, dass man sie nur seitlich sehen kann. Das zeigt ein Foto, das die Bundesbanker selbst aus Manhattan mitgebracht hatten.

Es ist also ohne Abriss der aus gestapelten Goldbarren bestehenden Mauer nicht möglich, festzustellen, um welche Barren es sich wirklich handelt. Ein Vergleich mit den Bestandslisten, auf denen jeder einzelne Barren verzeichnet sein soll, ist unmöglich. Das Foto war nicht gerade dazu angetan, unser Misstrauen zu zerstreuen.

Im Interview zeigte sich Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele dennoch sicher, dass die deutschen Goldbarren noch alle an Ort und Stelle waren. „In England müssen Sie für die Lagerung des Goldes bezahlen, in den USA nicht. Was kostet das, und auf welche Weise zahlen Sie das? In Gold? Überweisen Sie, oder erlauben Sie den ausländischen Notenbanken, mit dem Gold zu spekulieren?“

Thiele: „Bei der Bank of England zahlen wir über eine Kontoverbindung rund 550.000 Euro im Jahr. London ist der Goldhandelsplatz schlechthin. Deshalb muss das Gold gelegentlich bewegt werden, etwa für die Auslieferung zur Prägung der Goldmünzen des Bundesfinanzministeriums, während es in den Tresoren der anderen Lagerstellen ruht. Wir haben in der Vergangenheit keiner Notenbank erlaubt, mit unserem Gold zu spekulieren. Das gilt auch heute.“

Welt am Sonntag: „Gibt es einen Vertrag mit den USA, dass sie mit diesem Gold nicht arbeiten dürfen?“

Thiele: „Wir haben einen Vertrag mit jeder externen Lagerstätte, in denen sind die Rechte und Pflichten ganz genau festgelegt.“

Welt am Sonntag: „Und da ist festgelegt, dass die Bestände nicht verleast werden, dass mit ihnen nicht spekuliert oder sonst wie gehandelt werden darf?“

Thiele: „Natürlich. Das Gold ist unser Eigentum, die Fed verwahrt es nur für uns. Sie können das mit einem Schließfach bei Ihrer Bank vergleichen - allerdings mit dem Unterschied, dass Ihre Bank normalerweise nicht weiß, was sich darin befindet. Die Fed weiß dagegen genau, was wir hinterlegt haben.

Welt am Sonntag: „Aber wissen auch wir genau, was sich in den Tresoren der Fed befindet?“

Thiele: „Ich habe im vergangenen Jahr alle Lagerstätten der Goldreserven besucht, und mir wurde in allen Fällen absolute Transparenz entgegengebracht. Ich konnte sehen, was ich sehen wollte.“

Aber wenn er es denn hätte sehen wollen, hätte er es nicht sehen können: Die Nummern der einzelnen Barren waren durch die Stapelung nicht zu erkennen. Der Forderung ihrer Kritiker nach besseren Kontrollen im Ausland wollten die Bundesbanker, wie Thiele ankündigte, dennoch entgegenkommen. Um die eigenen Argumente gegenüber den amerikanischen Partnern in dieser Frage zu untermauern, hatten sie sogar die in Bundesbank-Kreisen wenig beliebte deutsche Diskussion über die Goldreserven ins Feld geführt.

Dafür habe man „den Kolleginnen und Kollegen in New York bereits im Vorwege einige Medienausschnitte zur Verfügung gestellt“, erklärte Bundesbank-Vorstand Thiele in Frankfurt. Die Partner in den USA, meinte er, hätten „viel Verständnis für die Diskussion“ gezeigt. Als Beleg zitierte Thiele eine E-Mail, die er von der Fed bekommen hatte.

Darin bekunden die Amerikaner ihre Bereitschaft, „mit der Bundesbank zusammenzuarbeiten und nach Möglichkeiten zu suchen, den Forderungen der Rechnungsprüfer nachzukommen und gleichzeitig die Vereinbarkeit mit den eigenen Sicherheits- und Kontrollverfahren sowie logistischen Beschränkungen zu wahren“. Das Vertrauen der Partner, meinte Thiele, dürfe man allerdings „nicht überstrapazieren“.

Bundesbank will 300 Tonnen nach Frankfurt holen

Was immer das heißen mochte. Dass die neue Offenheit in Sachen Gold etwas mit der Debatte in der Politik, den hartnäckigen Fragen von Journalisten und/oder der Kritik des Bundesrechnungshofes zu tun haben könnte, wies Bundesbanker Thiele indes weit von sich. „Die Entscheidung, wo das Gold gelagert wird“, betonte er, „ist eine autonome Entscheidung der unabhängigen Bundesbank.“

Als Zeichen des guten Willens verkündete der Bundesbank-Manager in Frankfurt dennoch, bis zum Jahr 2020 wolle sein Institut rund 300 Tonnen Gold aus den Tresoren in New York und noch einmal 374 Tonnen aus Paris nach Frankfurt holen. Damit wäre dann, so Thiele, die Hälfte der deutschen Goldreserven im eigenen Land.

Zur Zeit der Ost-West-Spannungen habe man Wert darauf gelegt, das Gold möglichst „weit westlich“ (Thiele) zu lagern, damit es „bei einer sowjetischen Invasion in Sicherheit“ sei. Inzwischen hielten offenbar selbst die vorsichtigen Bundesbanker eine Lagerung größerer Bestände auch in Deutschland für ausreichend sicher.

Außerdem würden jetzt durch den Bau eines neues Rechenzentrums auf dem Gelände der Bundesbank unterirdische Tresorkapazitäten frei, die sich für die Lagerung von Goldbarren bestens eigneten. Mit der schrittweisen Verlagerung, über deren Kosten und genauen Ablauf Thiele keine Angaben machte, würden bis zum Jahr 2020 die deutschen Goldreserven in Frankreich ganz aufgelöst und in den USA von 1536 auf 1236 Tonnen reduziert.

Transportkapazitäten müssen ausgeweitet werden

Da müssen sich die Hüter des deutschen Goldes allerdings gewaltig anstrengen; denn die Transportkapazitäten müssten kurzfristig verdreifacht werden. Ein Jahr nach dieser groß angekündigten Rückführungsaktion erscheint das Tempo eher gemächlich: 37 Tonnen, das sind gerade einmal 1,1 Prozent der gesamten deutschen Goldreserven. Davon stammen 32 Tonnen aus Paris und fünf Tonnen aus New York.

Bis allein die angepeilten 300 Tonnen aus New York in Frankfurt wären, wenn es der Bundesbank denn ernst damit ist, müssten 1.860.600 Flugkilometer zurückgelegt werden. 300 Flüge, denn je Flug über die Entfernung von 6202 Kilometer Luftlinie ist nach den Versicherungsbedingungen jeweils nur eine Tonne der kostbaren Fracht zulässig, anders als bei der mystischen Geheimaktion in Kiew. Das wäre dann fünfmal die Strecke von der Erde zum Mond. Bislang ist nicht erkennbar, wie die Bundesbank ihren Zeitplan einhalten könnte.

Eine volle Rückführung des Goldschatzes erscheint unter diesen Umständen als Operation Sankt Nimmerleinstag. Ist sie vielleicht gar nicht beabsichtigt? Gibt es Gründe, weshalb die Bundesbanker lieber nicht versuchen, die in den USA gelagerten deutschen Bestände komplett nach Hause zu holen? Oder sähe es der transatlantische Verbündete – selbst bis über beide Ohren verschuldet – nicht gern, wenn die Deutschen ihr ganzes Gold wegtragen?

Inzwischen sieht es so aus, als ob die Bundesbank auch von ihrem vor dem Bundestag gegebenen Versprechen abrückt, bis 2015 rund 150 Tonnen Gold aus den USA zurückzuholen. Sie verweist dabei auf logistische Schwierigkeiten, wie einige Medien kürzlich berichteten. Unter anderem müssten die Goldbarren aus den Fed-Tresoren auf den Standard der London Bullion Market Association (LBMA) umgeschmolzen werden.

Wie man da bis 2020 trotz aller Probleme die doppelte Menge, nämlich 300 Tonnen, zurückholen will, ist unklar. Bundesbank-Kritiker Peter Gauweiler will die bisherigen Beschwichtigungen nicht akzeptieren. Er fordert, das Gold vollständig zurückzuholen und dann in Ruhe in die passende Form zu bringen. Der CSU-Politiker fühlt sich in seinem Verdacht bestätigt: „Offenbar sind die Barren nicht mehr unangetastet verfügbar gewesen.“

Schweigen ist Gold

Auch Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, möchte am liebsten die gesamten deutschen Goldreserven nach Hause holen. Einer der wesentlichen Gründe, das Gold auswärts zu lagern, sei ohnehin überholt: die Angst vor einem Überfall aus dem Ostblock. Auch die Krim-Krise würde daran nichts ändern. „Der Kalte Krieg“, so Mißfelder, „ist vorbei.“

Die Zeit von Glasnost und Perestroika bei der Bundesbank anscheinend auch. Auf die Frage, ob und in welcher Form die verbliebenen Bestände künftig kontrolliert werden, teilte das Institut jetzt mit: „Die Vereinbarungen mit der Fed in New York zu Revisions- und Prüfungsmöglichkeiten unterliegen der Vertraulichkeit.“

Auch nach zwei Jahren intensiver Recherche zeigt sich: Ob der deutsche Goldschatz bei der Fed vollständig und unangetastet lagert, ist so ungewiss wie eh und je. Schweigen ist tatsächlich Gold, zumindest bei der Bundesbank.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema