Freitag,08.November 2024
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Gold, der Stammvater der Schrift

Wann trat Gold in der Geschichte erstmals in Erscheinung? Welche Rolle spielte es bei der Entstehung der Zivilisationen?

Von Thomas Andrieu

Gold nimmt in der jüngeren Geschichte sowie allgemein in der Geschichte der Menschheit einen zentralen Platz ein. Jüngste archäologische Entdeckungen haben unser Verständnis vom Ursprung des Edelmetalls in unseren Gesellschaften in Frage gestellt. Gold scheint gleichzeitig mit den ersten Städten aufgetaucht zu sein, weshalb es auch als das „erste der Metalle“ bezeichnet wird.

In der Geschichte taucht das gelbe Metall erstmals mehrere Jahrtausende vor dem Fund von Eisen auf und die ältesten Zeugnisse seiner Nutzung fallen ungefähr mit dem Auftreten von Kupfer zusammen. Es ist zudem erwiesen, dass das gelbe Metall von einigen Zivilisationen schon vor der Entstehung der Schrift verwendet wurde. Übrigens wurde die Schrift selbst teilweise entwickelt, um Kredite anzuschreiben, die in Form von Gold gewährt wurden. Die Geschichte des Edelmetalls überrascht immer wieder, so dass man sich fragen könnte, ob es nicht eine grundlegende Rolle bei der Entstehung von Zivilisationen gespielt hat… In diesem Beitrag blicken wir zurück zu den Ursprüngen des ewigen Metalls.

Der etymologische Ursprung von Gold

Das chemische Symbol für Gold ist AU, abgeleitet vom lateinischen Wort aurum, das wiederum auf den Namen der römischen Göttin Aurora zurückgeht. Aurora symbolisierte die Morgendämmerung, die Anfänge des Lichts, und ist außerdem die Schwester von Sol (der Sonne) und Luna (dem Mond). In den lateinischen Sprachen ist die Wurzel des Wortes aurum erhalten geblieben, wie beispielsweise im Französischen („or“) und Spanischen („oro“). Der Bezug auf die Göttin Aurora ist historisch und symbolisch bedeutsam. Denn die charakteristische gelbe Farbe des Goldes entsteht durch die Absorption von blauem Licht, während rötliche und orangefarbene Töne reflektiert werden. Blau wird in einigen Kulturen mit der Morgendämmerung in Verbindung gebracht, was das mythologische Band zwischen Aurora und dem Gold, das blaues Licht absorbiert, verstärkt.

In der nordischen Kultur stammt das englische Wort „gold“ vom altenglischen gelo („gelb“) und dem germanischen gulthan ab. Diese Wörter haben ihren Ursprung wahrscheinlich wiederum im prähistorischen, indoeuropäischen Wort ghel, das „glänzen“ bedeutet. Gold war also zweifelsohne schon lange vor der Schrift bekannt, vielleicht sogar vor der Entstehung der ersten Zivilisationen. Die jüngsten archäologischen Funde bestätigen diese linguistischen Hypothesen. Die bemerkenswerten physikalischen Eigenschaften von Gold haben die Aufmerksamkeit und Wissbegier unserer Vorfahren schon früh erregt, was von der historischen und symbolischen Bedeutung des Edelmetalls zeugt.

Gold: Ein Grundbedürfnis der Zivilisation

Vor rund 2 Millionen Jahren begann der Mensch, die ersten Werkzeuge zu benutzen. Die Beherrschung des Feuers durch den Menschen wurde deutlich später, vor etwa 400.000 Jahren, nachgewiesen. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Spuren von Höhlensiedlungen, wie in Tautavel in den östlichen Pyrenäen. Doch erst mit dem Ende der Eiszeit, die vor fast 100.000 Jahren begann, kam es zu bedeutenden Veränderungen. Als vor etwa 12.000 Jahren die Produktivität der Landwirtschaft stark zunimmt, werden auch die ersten „Häuser“ errichtet. Diese Entwicklung markiert eine größere Kontrolle des Menschen über seine unmittelbare Umgebung, da sich Ackerbau und Viehzucht allmählich durchsetzen.

Vor dieser Zeit hatten Gold und Silber wahrscheinlich keinen wirklichen Nutzen. Für die Gewinnung von Gold waren relativ hoch entwickelte Werkzeuge erforderlich, obwohl ein Schafsfell ausreichen konnte, um Goldablagerungen aus einem Fluss zu sieben. Wenn Gold vor dieser Zeit verwendet wurde, dann wahrscheinlich zu dekorativen oder spirituellen Zwecken. So wurden beispielsweise Spuren der Verwendung von Gold in Spanien vor 40.000 Jahren durch einen Höhlenfund nachgewiesen.

Die Entwicklung der Landwirtschaft und die Erwirtschaftung von Lebensmittelüberschüssen führten zur Entstehung der ersten Städte. Çatalhöyük in der heutigen Türkei ist mit mehreren tausend Einwohnern um das 8. Jahrtausend v. Chr. eines der ältesten dokumentierten städtischen Zentren. Etwa zur gleichen Zeit und in der gleichen Region finden sich die ersten Zeugnisse der Nutzung von Kupfer, das kalt oder bei niedrigen Temperaturen bearbeitet wurde. Die Art der Verwendung des Kupfers spiegelt eine noch unvollkommene Kenntnis der Metalle wider.

Später gilt die Stadt Uruk im heutigen Irak um 5000 v. Chr. als die älteste erfasste Stadt. In diesem Kontext, der durch die Entstehung der ersten Städte, des Handels, der Buchführung und der Schulden geprägt war, begann Gold eine größere Rolle zu spielen.

Das Auftauchen von Gold in der Zivilisation

Die frühesten Spuren der Verwendung von Gold finden sich rund um das Schwarze Meer, in den Gebieten des heutigen Bulgariens und Georgiens. Die archäologischen Funde zeigen, dass Gold bereits zum Ende der Vorgeschichte genutzt wurde, im fünften Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Diese Zeit fällt mit der Entstehung der ersten Städte in Europa zusammen, insbesondere in Osteuropa, unter anderem in Bulgarien, Griechenland und der Slowakei.

Es ist jedoch durchaus plausibel, dass Gold schon lange vor dieser Zeit verwendet wurde, in anderen Regionen und in verschiedenen Formen. Zu den ersten europäischen Städten gehörte das am Schwarzen Meer gelegene Varna in Bulgarien, das um 4600 v. Chr. gegründet wurde. Eine bedeutende Entdeckung im Jahr 1972 veränderte unser Verständnis der Geschichte des Goldes grundlegend. Die Ausgrabung der Nekropole von Varna mit fast 300 Gräbern brachte kunstvolle Goldgegenstände wie Halsketten, Armbänder und anderen Schmuck zum Vorschein. Insgesamt wurden fast 3000 Artefakte aus Gold ausgegraben, die gemeinsam ein Gewicht von rund 6 kg auf die Waage bringen.

Quelle

Diese Funde belegen die Bedeutung und die Verwendung von Gold seit den Anfängen der europäischen Zivilisation und markieren damit einen Meilenstein in der Geschichte des Edelmetalls.

Sakdrisi: Die allererste Goldmine der Welt!

Auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres, im Südosten des heutigen Georgiens, veränderte eine weitere bemerkenswerte Entdeckung unser Verständnis der Geschichte des Goldes und bestätigte die Hypothesen, die durch die Ausgrabungen in Varna aufgeworfen wurden. Anfang der 2000er Jahre legte eine Gruppe deutscher und georgischer Wissenschaftler die Mine Sakdrisi frei, die als „älteste bekannte Goldmine der Welt“ gilt und auf das Jahr 3400 v. Chr. zurückgeht, kurz vor der Entstehung der Schrift. Dieser Fund legt den Schluss nahe, dass Gold von diesen Völkern nicht nur verwendet, sondern auch auf organisierte und systematische Weise abgebaut wurde.

Die Mine, die sich auf einem Hügel befand, zeigte offene Adern im Boden. Die ersten Bergleute stiegen mit Stein- und Holzhämmern bis zu 20 oder 30 Meter in die Tiefe. Der Mangel an Licht und der schwierige Zugang machten diese Aufgabe äußerst mühsam. Das abgebaute Erz wurde anschließend zerkleinert und zermalmt, um das Gold darin zu gewinnen. Schätzungen zufolge benötigten acht Personen rund eine Woche, um ein Schmuckstück von etwa 10 Gramm herzustellen.

Gold, Goldmine, Varna

Quelle

In den folgenden Jahrhunderten verbreitete sich die Nutzung von Gold weit nach Mesopotamien und Ägypten. Im Zuge der Expansion der Städte, der Entwicklung des Handels und den ersten schriftlichen Aufzeichnungen wurde der Bergbau um 3000 v. Chr. zunehmend formalisiert. Die erste bekannte Karte eines Bergwerks stammt aus der Zeit um 1150 v. Chr.

Später, während der Herrschaft Cäsars in Rom, besuchte Diodorus von Sizilien die ägyptischen Goldminen. Er berichtet in seinem Werk (Buch III, Kapitel 12-14), dass die Sklaven, die den widrigsten Bedingungen ausgesetzt waren, „so den schlimmsten aller Tode sterben, so unerträglich sind die Leiden, die ihnen durch die Ausbeutung der Minen zugefügt werden. Die Arbeiter werden in verschiedene Gruppen eingeteilt, wobei jede Gruppe eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat“. Er fügte brillant hinzu: „Diese umfangreichen Arbeiten lehren uns, dass Gold nur schwer zu gewinnen ist, dass seine Erhaltung große Sorgfalt erfordert und dass seine Verwendung sowohl mit Vergnügen als auch mit Mühsal verbunden ist.“

Was wäre, wenn es Geld „schon immer“ gegeben hätte?

Gold verbreitete sich allmählich als Edelmetall, sowohl in der ägyptischen und sumerischen als auch in anderen Zivilisationen. Es erlangte universelle Anerkennung und wurde einerseits in Form von Schmuck und andererseits in Form von nicht standardisierten Körnern verwendet. So begann man, Gold auch im privaten Bereich als Tauschmittel zu nutzen, obwohl dieses System noch unvollkommen war. Erst im Jahr 2000 v. Chr. tauchen die ersten standardisierten Maßeinheiten auf.

Gold wurde also schon sehr früh als Tauschmittel verwendet, was darauf hindeutet, dass es schon in den ersten Zivilisationen als eine Art „Geld“ fungierte. Im Laufe der Jahrhunderte verändert das Metall jedoch seine Form. Zu dieser Zeit wurden Gold und Silber oft gemischt, zwei Drittel Gold und ein Drittel Silber, wodurch eine Legierung entstand, die man Elektrum nannte.

Im alten Ägypten, etwa 2000 v. Chr., setzte sich das Deben als Maßeinheit durch, das wahrscheinlich schon seit ca. 3000 v. Chr. gebräuchlich war. Diese Einheit entsprach etwa 90 oder 91 Gramm. Außerdem konnte ein Deben in 12 shâ bzw. ein Zwölftel eines Deben unterteilt werden. Einigen Quellen zufolge entsprachen 12 shâ einem Gold-Deben, 6 shâ einem Silber-Deben und 3 shâ einem Blei-Deben, wenngleich diese Verhältnisse im Laufe der Zeit wahrscheinlich schwankten.

Es ist erwiesen, dass Gold und Silber bereits in der Antike als Tauschmittel verwendet wurden. Das Aufkommen der ersten Maßeinheiten erleichterte zudem die Einführung der ersten Steuern und Abgaben um 2000 v. Chr. sowie die Konzentration des Reichtums in den ersten Tempeln, die als „Banken“ fungierten. Die Stadt Sippar im Nordwesten Babylons beispielsweise sammelte ihren Reichtum im Tempel des Sonnengottes Shamash. Zahlreiche Darlehen wurden in Form von Getreidekörnern oder anderen Gegenständen – unter anderem Gold und Silber – vergeben und auf Tafeln angeschrieben. Diese Tafeln belegen die Existenz der Darlehen, manchmal in Anwesenheit von „Zeugen“. Die Schrift entwickelte sich damals, um solche Transaktionen zu dokumentieren.

Unter dem Vorgänger Hammurabis, der für eine der ersten Rechtssammlungen der Welt bekannt ist, wurden Kredite zu einem Zinssatz von 20 % vergeben. Hammurabi legte später in seinen Rechtssprüchen den Höchstzinssatz für Getreide auf 33,3 % pro Jahr und für Geldkredite, insbesondere in Form von Gold und Silber, auf 20 % fest.

Zu den grundlegenden Eigenschaften von Geld

Wir haben gezeigt, dass Gold gleichzeitig mit den ersten Städten in Erscheinung trat. Zu dieser Zeit erfüllte das Edelmetall aufgrund seines symbolischen, spirituellen oder einfach ästhetischen Charakters ein echtes Bedürfnis der Menschen. Sein hoher Wert förderte schnell den wirtschaftlichen Austausch auf einer gemeinsamen Basis. Gold wurde vom „Wertspeicher“ zum „Tauschmittel“. Aber reicht das aus, um Gold als Geld zu bezeichnen?

Viel später nannte Aristoteles drei Kriterien, um eine Währung zu definieren: Sie muss Wertspeicher, Tauschmittel und Recheneinheit (d. h. ein Mittel zur Messung oder Bewertung eines Gutes) sein. Das Aufkommen der ersten Maßeinheiten vor etwa 5000 Jahren förderte die Standardisierung des Handels in Gold und Silber, die eine erste Recheneinheit darstellten. Zu dieser Zeit war Geld jedoch hauptsächlich eine Privatangelegenheit, und die ersten Gesetze konzentrierten sich vor allem darauf, den sozialen Beziehungen einen Rahmen zu geben. Geld ist also in erster Linie eine private Erfindung. Das „staatliche Monopol“ auf Geld entstand erst viel später, um 700 v. Chr. in Lydien unter König Gyges, und führte zur Ausgabe der ersten staatlichen Währung unter Krösus.

Die Debatte über das Geld ist also komplexer, als es der Volksglaube vermuten lässt. Nur der frühe Handel konnte eine Harmonisierung des Wertes von Gold ermöglichen, und im weiteren Sinne die Etablierung eines gemeinsamen „Wertes“, der als Recheneinheit genutzt wurde.

Vom Gold zum Geld: Evolution oder Degeneration?

Ist Geld also nicht bereits eine anfängliche Unterscheidung zwischen Gold und seinem Wert? Gold diente im privaten Bereich als Geld, bevor die Könige sich die Edelmetalle als wesentliche Attribute ihrer Macht aneigneten. Diese Unterscheidung zwischen Gold und seinem „rechtlichen“ oder „politischen“ Wert machte es erst möglich, Gold als Geld zu bezeichnen, gemäß der Definition von Aristoteles: „Alles, was durch Gebrauch oder Gesetz empfangen und geweiht wird“. In Buch 5 der Nikomachischen Ethik hält Aristoteles fest:

„Es ist also unerlässlich, dass alle Güter mit einem einzigen Maßstab gemessen werden, wie wir oben bereits gesagt haben. Und dieser Maßstab ist in Wirklichkeit nichts anderes als das Bedürfnis, welches das universelle Bindeglied darstellt (denn wenn die Menschen nichts bräuchten oder wenn ihre Bedürfnisse nicht gleich wären, gäbe es überhaupt keinen Handel mehr, oder der Handel wäre anderer Natur); aber das Geld ist zu einer Art Ersatz für das Bedürfnis geworden, und zwar durch Konvention, und das ist auch der Grund, warum das Geld den Namen νοµισµα erhält, weil es nicht von Natur aus, sondern kraft des Gesetzes (νοµος) existiert, und es in unserer Macht steht, es zu ändern und unbrauchbar zu machen. “

Wie Aristoteles treffend zusammenfasste, „ist das Geld zu einer Art Ersatz für das Bedürfnis geworden, und zwar durch Konvention“. Seither repräsentiert Gold nicht mehr das grundlegende Bedürfnis der Zivilisation nach einem stabilen Wert mit einem hohen Grad an Symbolik und Spiritualität, sondern drückt stattdessen einen rein wirtschaftlichen und materiellen Wert aus. Geld ist daher eine Art Degeneration des Goldes.

Unter einem bestimmten Gesichtspunkt ist Geld also eine Konvention, die aus dem primären Bedürfnis der Zivilisation, Gold zu besitzen, entstanden ist. Aurum stand tatsächlich am Anfang unserer Zivilisation!

Quelle: GoldBroker.com

THOMAS ANDRIEU ist Autor und Mitautor einer Vielzahl von Büchern sowie aktiver Redakteur für verschiedene Wirtschafts- und Finanzmedien (Cafedelabourse, Cointribune, Youtrading, etc.). Als Verfechter der wirtschaftlichen Freiheiten setzt er seine wissenschaftlichen und persönlichen Studien parallel zu seinen Veröffentlichungen und Überlegungen fort. Als Autor eines Buches über Gold („L’or et l’argent“, 2021, JDH Éditions) ist er ein Kenner der zyklischen Ansätze in Wirtschaft und Finanzen und beruft sich auf Pioniere in diesem Bereich (William Jevons, Ragnar Frisch, Schumpeter, Martin Armstrong usw.).

Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen im Rahmen von Gastbeiträgen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung von Goldreporter dar.

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