Was kümmert es mich, wenn in China ein Sack Reis umfällt. Das werden sich viele Deutsche fragen, wenn sie von den Börsenturbulenzen im Reich der Mitte hören. Nur 13 Prozent der Bundesbürger halten überhaupt Aktien und nur wenige dürften chinesische Konzerne im Depot haben.
Doch niemand sollte die Turbulenzen des Shanghai-Crashs als den sprichwörtlichen Sack Reis abtun. Dafür ist China viel zu wichtig für Deutschland. Sollte nicht bald wieder Ruhe an den Börsen einkehren, sind auch Wachstum, Jobs und damit Wohlstand hierzulande in Gefahr.
Grund 1: Jobs stehen auf der Kippe
Gerade die hiesigen Exportfirmen sind auf den riesigen Absatzmarkt angewiesen. Seit der Jahrtausendwende haben sich die Ausfuhren ins Reich der Mitte von knapp zehn Milliarden auf gut 75 Milliarden Euro fast verachtfacht.
Vor allem Autokonzerne profitieren von der aufstrebenden chinesischen Mittelschicht. Volkswagen hat im vergangenen Jahr fast vier Millionen Autos in China verkauft, fast vier mal mehr als hierzulande.
Wenn jetzt aber die konsumfreudigen Chinesen ihr Geld an der Börse verlieren, können sie keine deutschen Pkw mehr kaufen. Viele Anleger haben Aktien in Shanghai und Shenzhen auf Kredit gekauft und das verschärft die Situation.
Damit gerät auch das von Pekings Machthabern ausgegebene Wachstumsziel von sieben Prozent in Gefahr. Keine guten Aussichten auch für deutsche Chemiekonzerne wie BASF, die stark am Wachstum in Fernost hängen.
Da sehr viele Deutsche Jobs – oft gut bezahlte Jobs – bei exportstarken Firmen haben, würde ein Abschwung in China sich direkt auswirken. Jobs gingen verloren. Und mit höherer Arbeitslosigkeit wäre wohl auch die zurzeit gute Kauflaune der Menschen in Deutschland passé.
Das würde sich auch auf die Geschäfte anderer deutscher Firmen auswirken, die ihr Geld vor allem auf dem heimischen Markt verdienen.
Grund 2: Staatsschulden und Bauzinsen steigen
China hat in den vergangenen Jahren massive Währungsreserven aufgebaut. Der Devisenhort erreichte im vergangenen Jahr mit fast vier Billionen einen Rekord. Von dem Geld profitiert auch Deutschland. Denn ein Teil der Reserven ist in Euro angelegt.
China gehört mit zu den großen Käufern europäischer Staatsanleihen. Auch Pekings Geldpolitik haben wir die niedrigen Zinsen zu verdanken. Denn je mehr Nachfrage nach Staatsanleihen, desto niedriger die Sätze. Das macht sich auch für Verbraucher bemerkbar. So orientieren sich etwa auch die Konditionen für Hypothekenzinsen in Deutschland an deutschen Staatsanleihen.
In den vergangenen Monaten hat die chinesische Zentralbank jedoch damit begonnen, einen Teil der Reserven dafür einzusetzen, die Turbulenzen unter Kontrolle zu bringen.
299 Milliarden Dollar hat Peking bereits verkauft, bislang vor allem Dollar. Sollten weitere Mittel nötig werden, um die Lage zu beruhigen, könnten auch Euro und damit europäische Anleihen unter den Hammer kommen.
Das würde den Wert der Gemeinschaftswährung drücken und gleichzeitig die Zinsen nach oben treiben. Höhere Zinsen bedeuten aber: Der Staat muss mehr für seine Schulden zahlen. Das belastet auch die öffentlichen Haushalte.
Die Regierungen in der Euro-Zone könnten sich gezwungen sehen, an anderer Stelle zu sparen, was sich auf den Lebensstandard hierzulande auswirken würde.
Grund 3: Frieden und Globalisierung sind in Gefahr
Das bevölkerungsreichste Land der Welt dürfte in den kommenden zehn Jahren auch zur Wirtschaftsnation Nummer Eins aufsteigen und die USA vom Thron stoßen. Die Geschichte lehrt, dass eine solche Wachablösung an der Weltspitze nie ganz ohne Friktionen verläuft.
Und auch Chinas Aufstieg löst nicht nur bei den bisher führenden USA Ängste aus. Gerade auch viele Anrainer sind alarmiert, wie beispielsweise die Territorialkonflikte im südchinesischen Meer zeigen.
Auch der ehemalige asiatische Platzhirsch Japan schickt regelmäßig scharfe Töne gen Peking. In dieser Gemengelage scheint klar, Chinas Aufstieg ist allein aufgrund seiner Größe nicht zu stoppen. Wenn das Land dabei aber weiter solide wächst und damit immer größere Teile der chinesischen Bevölkerung am Wohlstand partizipieren können, gibt es weniger Anlass für diplomatische Verwicklungen beim Sturm an die Spitze. Dann muss die Regierung nicht so stark auf nationale Symbolpolitik setzen, um eine ökonomisch unzufriedene Bevölkerung bei Laune zu halten.
Und eine friedlichere Weltordnung wirkt tendenziell positiv auf die Globalisierung, von der auch Deutschland in besonderer Weise profitiert.
Grund 4: Verbrauchern drohen höhere Preise
Deutschland profitiert von China nicht nur als Absatzland. Wir importieren auch immer mehr Güter aus dem Reich der Mitte. China ist auch die Werkbank der Welt.
Dank der günstigen Produktion von Kleidung, Computern oder Smartphones können deutsche Verbraucher sich viele Sachen heute leisten, die früher nicht für alle erschwinglich waren.
Die Inflationsrate hierzulande lag dank China in den vergangenen Jahren deutlich unter dem historischen Durchschnitt. Damit hat Deutschland auch ein großes Interesse daran, dass es Chinas Börse und Konzernen im Reich der Mitte gut geht.
Nur so kann die Rolle Chinas als günstiger Lieferant der Welt aufrecht erhalten werden. Und nur so ist gewährleistet, dass die Verbraucher in Deutschland ihre Waren zu den niedrigen Preisen bekommen, die sie gewohnt sind.