Der Goldpreis erreicht neue Höchststände. Doch viele Anleger bleiben außen vor. Warum Gold unterschätzt wird – und warum der Markt noch erhebliches Potenzial hat.

Goldrally ohne breite Beteiligung
Der Goldpreis hat in den vergangenen Jahren mehrfach neue Rekordmarken erreicht. Dennoch zeigt sich ein bemerkenswerter Widerspruch: Private wie institutionelle Anleger sind weiterhin nur in begrenztem Umfang engagiert. Besonders deutlich wird dies in den USA, dem weltweit größten Kapitalmarkt.
Darauf weist auch eine aktuelle Analyse von Goldman Sachs hin. Demnach machen Gold-ETFs lediglich rund 0,17 Prozent der privaten Finanzportfolios in den USA aus. Auch der physische Goldbesitz spiele – gemessen am Gesamtvermögen – nur eine sehr untergeordnete Rolle. Trotz der starken Kursentwicklung habe Gold damit bislang keinen festen Platz in der Vermögensstruktur vieler Anleger gefunden.
Gold steigt, doch viele Anleger bleiben außen vor. In einem kleinen und schwer erfassbaren Markt könnten schon geringe Zuflüsse große Wirkung entfalten.
Die jüngste Goldrally sei daher nicht das Ergebnis einer breiten Anlegerbewegung, sondern vor allem von einzelnen Nachfragequellen getragen worden. Genau dieser Umstand gilt laut der Analyse als ein zentraler Grund dafür, warum der Goldmarkt weiterhin als vergleichsweise eng gilt – und zusätzliche Nachfrage besonders starke Preiswirkungen entfalten könnte.
Mehr dazu: Goldman Sachs: Goldrally bislang vor allem von Zentralbanken getragen
Warum Gold trotz guter Wertentwicklung oft unterschätzt wird
In der klassischen Finanzanalyse gilt Gold bis heute als problematisch. Es zahle keine Zinsen, keine Dividenden und liefer keinen laufenden Ertrag. Genau dieser Punkt führt dazu, dass das Edelmetall in vielen Modellen und Portfoliobetrachtungen nur eine Nebenrolle spielt.
Dieser Vergleich greift jedoch zu kurz. Gold erfüllt eine andere Funktion als Aktien oder Anleihen. Es ist kein Produktivkapital, sondern ein Vermögenswert, der außerhalb des Kredit- und Schuldensystems steht. Gerade diese Eigenständigkeit macht Gold für viele Anleger schwer einzuordnen – und erklärt, warum es häufig unterschätzt wird.
Vermögensaufbau mit Gold
Hinzu kommt ein Aspekt, der in der Debatte oft ausgeblendet wird: Gold ist keineswegs renditelos. Seit dem Ende des Goldstandards Anfang der 1970er-Jahre hat der Goldpreis im Durchschnitt rund neun Prozent pro Jahr zugelegt. Diese langfristige Wertentwicklung widerspricht der verbreiteten Annahme, Gold sei allein wegen fehlender Zinsen unattraktiv.
Auch steuerlich nimmt Gold eine Sonderstellung ein. Auf physisches Gold fällt hierzulande keine Abgeltungssteuer an. Dennoch spielen solche Faktoren in vielen Anlagekonzepten kaum eine Rolle. Der Fokus liegt meist auf laufenden Erträgen und klar messbaren Cashflows, während Vermögenswerte ohne Zins- oder Dividendenzahlungen strukturell weniger Beachtung finden.
Warum Gold in vielen Analysen kaum greifbar ist
Ein weiterer Grund für die anhaltende Unterschätzung von Gold liegt in seiner besonderen Stellung außerhalb des Finanzsystems. Physisches Gold lässt sich deutlich schwerer erfassen als klassische Finanzanlagen. Während Aktien, Anleihen oder Fondsbestände zentral erfasst und regelmäßig ausgewiesen werden, existiert für Gold in Privatbesitz keine vergleichbare Statistik.
Goldbarren, Münzen oder auch Schmuck werden als physische Vermögenswerte behandelt, die sich der laufenden Erfassung entziehen. Entsprechend gibt es nur Schätzungen darüber, wie viel Gold sich tatsächlich in privater Hand befindet. Diese Unsicherheit erschwert den Vergleich mit anderen Anlageklassen erheblich.
Im Gegensatz dazu veröffentlichen Zentralbanken präzise und regelmäßig aktualisierte Angaben zu ihren Goldreserven. Ihre Bestände gelten als offiziell, transparent und nachvollziehbar. Doch auch hier lohnt ein genauerer Blick.
Warum selbst Zentralbank-Gold nicht immer eindeutig ist
Die besondere Stellung von Gold zeigt sich auch in den Zentralbankbilanzen selbst. Zwar melden Notenbanken ihre Goldbestände regelmäßig, doch die genaue Zusammensetzung dieser Positionen ist oft weniger transparent, als es die reinen Zahlen vermuten lassen.
In vielen Fällen wird bilanziell nicht eindeutig zwischen tatsächlich physisch vorhandenem Gold und Ansprüchen auf Gold unterschieden, etwa über Leihgeschäfte, Swaps oder andere derivative Konstruktionen. Diese Formen des sogenannten Papiergoldes werden häufig gemeinsam mit physischem Gold ausgewiesen, obwohl sich ihr Charakter und ihr Risikoprofil deutlich unterscheiden.
Hinzu kommt, dass Zentralbank-Goldbestände in vielen Ländern über Jahrzehnte hinweg nicht unabhängig geprüft wurden. Während bei Wertpapieren die physische Existenz keine Rolle mehr spielt – Aktien existieren heute ausschließlich als Buchpositionen – bleibt Gold ein Sonderfall. Sein Wert erschließt sich letztlich nur durch das tatsächliche physische Vorhandensein des Metalls.
Mehr dazu: Goldreserven weltweit: Aktuelle Zahlen, Länder-Raking und Entwicklungen
Körperlicher Vermögenswert
Gold ist damit einer der wenigen Vermögenswerte, bei dem die Frage nach dem realen Bestand eine zentrale Rolle spielt. Barren müssen gelagert, gesichert und im Zweifel bewegt werden. Diese physische Dimension unterscheidet Gold grundlegend von Finanzanlagen, die rein buchhalterisch existieren und beliebig übertragen werden können.
Auch das trägt dazu bei, dass Gold schwerer handhabbar, schwerer vergleichbar und in vielen Analysen weniger präzise erfasst ist als andere Anlageklassen. Gleichzeitig unterstreicht genau diese Eigenschaft den besonderen Charakter von Gold als realem, nicht beliebig reproduzierbarem Vermögenswert.
Kleiner Markt, große Wirkung
Der Goldmarkt ist im Vergleich zu anderen Anlageklassen überschaubar. Der gesamte oberirdische Goldbestand wird auf rund 29 Billionen US-Dollar geschätzt. Zum Vergleich: Der weltweite Aktienmarkt kommt auf mehr als 120 Billionen US-Dollar, der Rentenmarkt sogar auf deutlich über 140 Billionen US-Dollar.
Diese Größenverhältnisse sind entscheidend. Schon geringe Umschichtungen können beim Goldpreis spürbare Bewegungen auslösen, weil zusätzliche Nachfrage schneller auf ein begrenztes Angebot trifft als in größeren Märkten.
Mehr dazu: Goldmarkt international – Nachfrage, Förderung, Marktanalyse
Warum die Zurückhaltung der Anleger entscheidend ist
Gerade weil viele Anleger bislang kaum engagiert sind, sehen Marktbeobachter weiteres Potenzial. Die bisherige Goldrally wurde vor allem von Zentralbanken getragen. Sollte sich die Nachfrage privater oder institutioneller Investoren ausweiten, könnte sich die Marktdynamik deutlich verändern.
Die geringe Sichtbarkeit von Gold in klassischen Statistiken, Portfoliomodellen und Bilanzlogiken trägt dazu bei, dass diese Entwicklung bislang nur zögerlich wahrgenommen wird.
Erkenntnis für Anleger
Das Edelmetall wird häufig nicht gemieden, weil es schlecht läuft, sondern weil es schwer vergleichbar ist. Es passt nicht in klassische Ertragslogiken, entzieht sich der statistischen Erfassung und bleibt selbst in offiziellen Bilanzen ein Sonderfall.
Genau darin liegt jedoch auch seine Stärke: Gold ist ein realer Vermögenswert außerhalb des Finanzsystems. Seine physische Existenz macht es unabhängiger von geldpolitischen Eingriffen, Bilanzlogiken und Vertrauensfragen.
Fazit
Trotz Rekordpreisen bleibt Gold für viele Anleger eine Randerscheinung. Die Kombination aus geringer Marktgröße, schwieriger Erfassbarkeit, einer oft verkürzten Renditebetrachtung und der besonderen physischen Natur des Metalls erklärt, warum Gold bis heute unterschätzt wird.
Je stärker sich Anleger wieder mit diesen strukturellen Eigenschaften auseinandersetzen, desto deutlicher dürfte werden: Die Neubewertung von Gold ist noch nicht abgeschlossen.
Mehr dazu: Goldpreis und Inflation: Wie Gold seit Jahrzehnten Kaufkraft erhält

