Italien streitet über die Eigentumsrechte seiner Goldreserven. Ökonomen warnen vor politischem Zugriff – und möglichen Folgen für die Eurozone.

Italiens Gold-Debatte entfacht neue Fragen: Wem gehören Europas Goldreserven – und wer dürfte sie im Ernstfall nutzen?
Diskussion um Goldreserven Italiens
Italiens Regierung sorgt derzeit für Unruhe auf den Finanzmärkten. Abgeordnete aus dem Lager von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wollen gesetzlich festschreiben, dass die Goldreserven des Landes „Eigentum des italienischen Volkes“ seien. Kritiker fürchten: Ein solcher Schritt könnte den Weg zu politischen Eingriffen in die Bestände ebnen – und im Extremfall auch zu Verkäufen.
Italien verfügt über die drittgrößten Goldreserven der Welt, rund 2.450 Tonnen. Nur die USA und Deutschland besitzen mehr. Mit einem Marktwert von knapp 300 Milliarden Euro stellen die Bestände eine zentrale Säule der italienischen Währungs- und Finanzsicherheit dar. Bislang vertritt die italienische Zentralbank die klare Position, dass sie die Reserven in Eigenverantwortung hält – im Rahmen der offiziellen Devisenreserven des Landes und als Beitrag zur Stabilität des Euro.
Politischer Vorstoß – oder Vorbereitung auf fiskalischen Zugriff?
Die Regierungspartei Fratelli d’Italia („Brüder Italiens“) argumentiert, die Reserven seien letztlich das Ergebnis der historischen Leistungen der italienischen Bevölkerung und sollten deshalb als öffentliches Eigentum definiert werden. Gegner sehen darin weniger eine symbolische Geste als eine riskante Weichenstellung:
- Ein klarer Eigentumstitel des Staates könnte es künftigen Regierungen erleichtern, Gold zur Schuldentilgung oder Haushaltsfinanzierung einzusetzen.
- Italiens Staatsverschuldung zählt zu den höchsten der Eurozone.
- Der Schritt käme zu einem Zeitpunkt wirtschaftlicher Belastungen, geprägt von steigenden Sozialausgaben und anhaltendem Kostendruck bei Gesundheit, Energie und Infrastruktur.
Ökonomen warnen, dass ein politischer Zugriff auf die Goldreserven ein fatales Signal wäre: Ländern werde zugemutet, ihre letzten Reserven zu liquidieren, was internationale Vertrauen massiv erschüttern könnte.
EZB warnt: Italiens Gold ist kein Spielball der Politik
Die Europäische Zentralbank wurde bereits konsultiert und prüft den Gesetzesvorstoß.
Eine ECB-Opinion zur Unabhängigkeit von Zentralbank und Goldreserven aus dem Jahr 2019 stellte klar, dass Gold nicht in Staatseigentum überführt werden darf.
Damit steht im Raum:
Eine Änderung des Gold-Eigentums könnte europarechtlich unzulässig sein.
Warum die Debatte über Goldreserven in Europa an Brisanz gewinnt
Die italienische Golddiskussion fällt in eine Phase, in der mehrere Länder unter Haushaltsdruck stehen – und gleichzeitig große geopolitische Unsicherheiten herrschen. Italien ist nicht allein:
- Russland hat erstmals seit Jahren Gold aus Staatsreserven verkauft.
- Türkei, Usbekistan, Kasachstan nutzen Gold teils regelmäßig zur Liquiditätsbeschaffung.
- Deutschland und die Niederlande sehen sich Forderungen gegenüber, Goldbestände nach Hause zu holen.
- In Frankreich und Spanien wächst der Druck, Vermögenswerte effizienter zu nutzen.
Die Frage, wer rechtlich Zugriff auf staatliche Goldbestände hat, gewinnt damit europaweit an Bedeutung.
Doch anders als in Schwellenländern ist die Situation in der Eurozone komplexer:
- Gold dient nicht nur nationalen Zwecken, sondern stützt auch das Vertrauen in den Euro als Währung.
- Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist rechtlich besonders geschützt.
Ökonomisch gilt Gold in Europa weiterhin als letzte und unantastbare Reserve – nicht als Liquiditätsquelle.
Was bedeutet das für Italien – und für Europa?
1. Ein soziales Signal?
Italienische Oppositionsparteien sehen im Vorstoß der Regierung eher eine Ablenkung von steigenden Lebenshaltungskosten. Bürger sollen das Gefühl erhalten, dass sie kollektiv über einen strategischen Vermögenswert verfügen.
2. Ein fiskalisches Risiko?
Sollte – jetzt oder in Zukunft – eine Regierung auf die Idee kommen, Bestände zu verkaufen, wäre dies ein dramatischer Vertrauensverlust für Investoren und die EZB.
3. Ein strukturelles Warnsignal für Europa?
Die Diskussion zeigt: In Zeiten hoher Staatsverschuldung wachsen Begehrlichkeiten, an Reserven zu rühren.
Doch die zentrale Frage bleibt:
Wie viel politische Kontrolle darf eine Regierung über Goldreserven ausüben – ohne die finanzielle Stabilität zu gefährden?
Fazit: Italiens Golddebatte ist mehr als Symbolpolitik
Die aktuelle Diskussion betrifft nicht nur Rom, sondern könnte ein Präzedenzfall für die gesamte Eurozone werden. Goldreserven gelten als unantastbares Fundament staatlicher Glaubwürdigkeit. Jede Änderung der Eigentumsverhältnisse – auch wenn sie zunächst nur deklaratorisch erscheint – hätte weitreichende Folgen.
Italien sendet damit ein weiteres Signal in eine ohnehin fragile Finanzlage:
Gold ist wieder politisch.
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