Die Konsumenten-Nachfrage nach Gold und Silber ist wieder deutlich gestiegen. In den letzten Tagen meldeten Händler sogar einen regelrechten Run auf Edelmetalle. Die Anbieter sehen sich dem Ansturm aber noch gewachsen. Bei Silber spitzt sich die Situation allerdings zu. Goldreporter hat die Lage im deutschen Handel sondiert.
Der Run auf Gold und Silber geht wieder los. Beim Münchner Goldhändler pro aurum berichten Kunden von „tumultartigen“ Zuständen. Der Anbieter MP Edelmetalle bittet auf seiner Webseite alle Kunde, die am heutigen Freitag am Schalter Erndtebrück Edelmetalle erwerben möchten, vorab telefonisch Kontakt aufzunehmen. Grund: die stark erhöhte Nachfrage. „Die Nachfrage ist wieder auf dem gleichen Niveau, wie vor einem Jahr“, sagt Steffen Horn, Geschäftsführer von Geiger Edelmetalle. „Wir kommen mit dem Bestellen gar nicht mehr nach“, erklärt eine Verkäuferin beim Münzhändler Heubach in Nürnberg. Vor allem am vergangenen Mittwoch sei der Umsatz enorm gewesen. Das war der Tag, an dem die Rating-Agentur S&P zunächst Griechenland, Portugal und später auch Spanien in ihrer Bonitätsnote zurückstufte.
Engpass im Anmarsch
Bis weit ins Frühjahr 2009 gab es in Deutschland über Monate hinweg einen Engpass bei der Versorgung mit Edelmetallen. Die Gold- und Silber-Shops in Deutschland waren wie leergefegt. Es gab bei einzelnen Anlageprodukten Lieferzeiten von bis zu sieben Wochen. Steht uns das gleiche Drama nun erneut bevor?
Obwohl die Nachfrage stark zugenommen hat, gibt es aber noch keine akuten Mangelerscheinungen in den Geschäften der Händler. Zumindest bei Gold.
Die Anzeichen auf eine Silberverknappung bestätigen sich dagegen zunehmend. Goldreporter wies bereits Anfang der Woche auf erste Anzeichen einer angespannten Versorgungslage hin. Nun berichten immer mehr Händler von Ausverkäufen und langen Lieferzeiten bei einzelnen Silberanlage-Produkten.
Münzland
Zu den begehrtesten Artikeln gehören die 1-Kilo-Münzen aus Australien (Kookaburra, Koala), bei denen im Vergleich zu normalen Kilobarren beim Kauf nur der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent anfällt. „Die Kilomünzen gehen wie verrückt“, erklärt René Lehmann vom Dresdner Münzland.
In vielen Shops sind sie derzeit bereits ausverkauft. Die angespannte Versorgungslage wurde in den vergangenen 14 Tagen auch von der Aschewolke aus Island beeinträchtigt. Frachtflüge, unter anderem aus „Down Under“, verzögerten sich. Trotz des hohen Ordervolumens und vielen Neukunden sind die Anbieter derzeit entspannt. Noch.
Geiger Edelmetalle
Auch Steffen Horn erinnert sich gut an den letzten Edelmetall-Run in Deutschland. Seinen Aussagen zufolge konnte sein Haus aber immer liefern. Geiger Edelmetalle hat gegenüber Wettbewerbern einen entscheidenden Vorteil. Man handelt nicht nur mit Edelmetallen, sondern produziert die Anlageprodukte auch selbst.
„Bisher haben wir noch keine wirkliche Materialknappheit erlebt, sondern nur Produktionsengpässe gesehen“, so Horn. Sein erklärtes Ziel sei es: Am Ende als letzter deutscher Händler noch Ware liefern zu können, wenn alle anderen Shops ausverkauft sind. Horn: „Wir sind gewappnet“.
Tatsächlich stellten die Gold- und Silberproduzenten den Flaschenhals da, als Deutschlands Edelmetall-Angebot im Winter 2008/2009 austrocknete. Seinerzeit wurden die Scheide- und Prägeanstalten förmlich von der Nachfrage überrollt. Die Produktionskapazitäten reichten nicht aus, um eine zeitnahe Versorgung sicherzustellen. Das galt für Münzen und Barren gleichermaßen. Was hat sich seither geändert?
Umicore
„Unsere Kapazitäten zur Herstellung von Edelmetallbarren werden in Zeiten anhaltend unerwartet hoher Nachfrage durch Ausweitung der Produktionszeiten (Schichtbetriebe) für vorhandene Anlagenkapazitäten erhöht. Soweit wir das beurteilen können, wird dies von Wettbewerbern ähnlich gehandhabt“, erklärte uns Ralf Drieselmann, Senior Vice President, Precious Metals Management der Umicore AG & Co. KG auf Anfrage.
Die technischen Produktionskapazitäten wurden bei Umicore somit nicht ausgeweitet? „Die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Schuldenfrage einzelner EU-Mitglieder ist kein ganz neues Phänomen und hat sicherlich schon eine Weile zu weiteren Vermögensumschichtungen in Edelmetalle beigetragen. Wir treffen daher auch keine über das beschriebene Verfahren hinaus gehende Maßnahmen“, so Drieselmann.
Der Manager liefert einen möglichen Grund für die derzeit angespannte Lage auf dem Silbermarkt. Die eigene Versorgung mit Feingold und Feinsilber bezeichnet der als völlig unproblematisch, da Umicore über feste Lieferverträge abgesichert sei. Man stelle aber einen stark gestiegenen industriellen Verbrauch von Silber im Vergleich zum Vorjahr fest.
Fazit
Der kluge Anleger sorgt vor. Beim letzten Mal standen „nur“ die Banken vor dem Aus, diesmal stehen ganze Staaten auf der Kippe. Unsere Prognose: Wenn der echte Run auf Gold und Silber losgeht, wird die Nachfrage nach Edelmetallen für die Anbieter erneut kaum zu stemmen sein.