Ist die Krise nun vorbei? Berichte über das deutsche „Aufschwungwunder“ machen die Runde. Aber während die Erfolge der deutschen Exportfirmen gefeiert werden, kommen weiter alarmierende Zahlen aus dem Bankensektor. Das zeigen die EZB-Daten zur aktuellen Offenmarkt-Aktivität.
Die Zentralbanken unternehmen weiterhin alles, um die klammen Geschäftsbanken und mittellosen Staaten mit Geld zu versorgen. Goldreporter berichtet heute einmal etwas ausführlicher über die oft schwer verständliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und die daraus resultierenden Konsequenzen für unser Geldvermögen.
Interventionen am offenen Markt
Da die Leitzinsen weltweit auf Rekordtief verharren, also das Hauptinstrument der Geldpolitik ausgeschöpft ist, bedienen sich die Notenbanken nun verstärkt der so genannten Offenmarktpolitik, um Geld ins System zu pumpen.
Offenmarktgeschäfte, das sind Liquiditätsmaßnahmen der Zentralbanken, die im Wesentlichen über den An- an Verkauf von Wertpapieren getätigt werden.
Es wird Geld geschöpft, wenn die Notenbank den Geschäftsbanken bestimmte festverzinsliche Wertpapiere abkauft. Dagegen entzieht die Notenbank dem Finanzsystem Liquidität, wenn Sie selbst Offenmarktpapiere verkauft.
Anhaltende Finanznot
Man sollte meinen, dass sich nach den Billionen-Stützen für Banken und Staaten im Anschluss an die Lehman-Pleite und das Griechenland-Desaster etwas zum Besseren geändert hätte. Weit gefehlt.
Derzeit betreibt die Europäische Zentralbank (EZB) weiter Offenmarktgeschäfte in Rekordhöhe. Ein Blick in die EZB-Statistik von 22. Juni 2010 ergibt folgendes Bild:
Über Offenmarkt-Transaktionen wurden am 22.06. insgesamt 857,154 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Die bisherige Rekordliquidität aus diesen Maßnahmen stellte die EZB am 18. Mai mit 859,228 Mrd. Euro zu Verfügung. Seit Ende 2007 hat sich das Volumen nahezu verdoppelt.
Überblick
Gesamtliquidität durch Offenmarktgeschäfte: 859,228 Mrd. Euro
davon:
– Netto-Liquiditäts-Effekt über Wertpapier-An- bzw. Verkauf: 344,205 Mrd. Euro
– Einlagen der Geschäftsbanken auf Girokonten beim Euro-System: 299,398 Mrd. Euro
– Übernachteinlagen bei der EZB: 213,562 Mrd. Euro
– Übernachtliquidität: 11 Mrd. Euro
Abb.: EZB-Liquiditätsvolumen über Offenmarktgeschäfte seit 2008 (in Millionen Euro); Quelle: EZB.
Nicht eingeschlossen in diesen Zahlen ist das aktuelle Ankaufprogramm von so genannten „Covered Bonds“. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Pfandbriefe, also mit Immobilien besicherte Kredite. Das Ankaufvolumen betrug per 22.06.2010 insgesamt 59,283 Milliarden Euro.
Von den weiter oben genannten 857,154 Milliarden Euro parken die Geschäftsbanken alleine 24,9 Prozent oder 213,562 Milliarden Euro als Übernachteinlagen zu einem Prozentsatz von 0,25 Prozent bei der EZB.
Dies ist Ausdruck einer andauernden Unsicherheit im Bankensektor. Man vergibt mit einem Großteil des zur Verfügung gestellten Geldes keine Kredite, sondern legt es lieber gegen Mini-Zinsen auf die „hohe Kante“.
Wie ist die aktuelle Lage zu bewerten?
Von Entspannung kann keine Rede sein. Wie auch aus den Mainstream-Medien zu erfahren ist, herrscht vor allem bei spanischen und portugiesischen Finanzinstituten enormer Liquiditätsbedarf.
Die Maßnahmen der Liquiditätsversorgung durch die EZB haben in ihrem Umfang das Niveau kurz nach der Lehman-Pleite erreicht.
Hinzu kommen die Maßnahmen der „Quantitativen Lockerung“, also der Ankauf von Staatsanleihen. Dieser ist in den genannten Zahlen noch gar nicht erfasst. Bislang beträgt das Volumen laut EZB 47 Mrd. Euro. Alleine 25 Mrd. Euro flossen in griechische Schuldpapiere.
Es klemmt
Von dem geschöpften Geld aus den Offenmarktgeschäften kommt immer noch relativ wenig in der Realwirtschaft an. Die Banken müssen eigene Finanzlöcher stopfen und parken zudem (wie gesehen) viel Geld bei der EZB.
Zudem sind die Institute bei der für das System wichtigen Kreditvergabe untereinander wieder deutlich restriktiver. Dies geht auch aus dem Interbankenzins (Euribor) hervor, der sich mit 0,74 Prozent knapp unterhalb eines neuen 12-Monatshoch bewegt.
Fazit/Ausblick
Im zweiten Halbjahr ist im Bankensektor erneut mit erheblichen Verwerfungen zu rechnen. Die Krise ist nicht vorbei, sie könnte schon bald in einem neuen Höhepunkt mit einer drohenden Bankenpleitewelle (PIGS) und der Verschärfung von Staatskrisen münden. Die Risiken eines System-Crashs (Währungsschnitt) sind nach wie vor hoch.
Es bleiben einige ungeklärte Frage. Zum Beispiel: Wer kauft der EZB den Wertpapierschrott eigentlich ab, wenn es darum geht, die Liquidität wieder aus dem Markt abzusaugen? Wann soll das geschehen? Welche ungeheuren Renditen muss die EZB Investoren dann bieten?
Sollten wir die aktuelle deflationäre Phase (M3-Geldmengen-Schrumpfung) also einmal hinter uns gebracht haben, dann sind Inflationsraten zu erwarten, die wir lange Zeit nicht erlebt haben.
Mit dem Erwerb von Sachwerten wie Gold und Silber sichert man sich langfristig gegen die drohende Geldentwertung ab.