Samstag,27.April 2024
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Geopolitik & Wirtschaft: Rückkehr in die 1970er

Zu Beginn der 1970er Jahre begannen die Staaten gerade erst, sich zu verschulden. Heute brechen sie unter den sich hoch auftürmenden Schulden-Bergen zusammen.

Von Philippe Herlin

Nahost-Konflikt

Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg sorgt der Terrorangriff der Hamas in Israel aufgrund seiner Brutalität und Plötzlichkeit weltweit für Entsetzen. Die israelische Armee gewinnt anschließend erneut die Oberhand, aber es ist abzusehen, dass dieser Krieg länger dauern wird als der vorherige (weniger als 20 Tage, vom 6. bis zum 25. Oktober 1973), und dass er die Gefahr globaler Folgen birgt. Damals hatten die OPEC-Staaten den Rohölpreis in Reaktion auf die westliche Unterstützung Israels auf das Vierfache erhöht (von 2,59 Dollar auf 11,65 Dollar je Barrel).

Ölkrise, Wirtschaft, Schulden, Krieg, Geopolitik (Bild: Goldreporter)

Das stellte die erste Ölpreiskrise dar, die allerdings nicht auf diesen Krieg reduziert werden sollte: Das Ende der Umtauschbarkeit von Dollar in Gold, entschieden am 15. August 1971 von Richard Nixon, hatte die US-Währung abgewertet, und die ölproduzierenden Staaten wollten ihre Kaufkraft wiederherstellen. Wird es wieder zu einer vergleichbaren Verkettung der Ereignisse kommen? In unserem vorherigen Artikel hatten wir uns gefragt, ob die Inflation über den Ölpreis zurückkehrt. Nun gibt es einen weiteren Grund, eine solche Entwicklung zu befürchten.

Kontext der 1970er-Jahre

Global betrachtet tauchen wir erneut in den Kontext der 1970er Jahre ein. Mit dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland wird der europäische Kontinent im weiteren Sinne, vom Atlantik bis zum Ural, erneut durch einen Eisernen Vorhang geteilt, wie von General Charles de Gaulle beschrieben. Erneut sehen wir Inflation und träges Wachstum. Der Ausdruck „Stagflation“ wurde übrigens 1965 vom englischen Politiker Iain Macleod geprägt, um die Situation im Vereinigten Königreich zu beschreiben, welches unter einer schwachen Konjunktur litt, während andere Industriestaaten die „dreißig glorreichen Jahre“ erlebten.

Block-Bildung

Wir finden heute die gleichen Blöcke wieder: Die USA, Europa und Israel auf der einen Seite und Russland, China, Iran (Ursprung der zweiten Ölpreiskrise 1979) auf der anderen, während Saudi-Arabien sich schrittweise aus seiner Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten löst. Was, wenn der Zerfall der Sowjetunion nur ein Schleier war, der im Grunde genommen nicht viel geändert hat? Er hat nur den Glauben an eine friedliche und glücksbringende Globalisierung gestärkt, und China hat im Zuge dessen seine Chance genutzt. Doch das ist vorbei, der Vorhang fällt.

Belastete Staatshaushalte

Diese Rückkehr in die 1970er löst nicht gerade Begeisterung aus, ganz im Gegenteil. Sie bedeutet Krieg, Öl als lebensnotwendiges und zugleich destabilisierendes Elixier unserer Wirtschaft, Stagflation, hohe Militärausgaben, die den Staatshaushalt belasten, neue Konflikte allerorts, tägliche Horrormeldungen im Fernsehen und das Warten auf die „Große Konfrontation“, nicht mehr allein zwischen den USA und Russland, sondern diesmal auch China. Ein neuer Kalter Krieg.

Zu Beginn der 1970er Jahre begannen die Staaten gerade erst, sich zu verschulden. Heute brechen sie unter den sich hoch auftürmenden Schuldenbergen zusammen. Die Inflation mit einem Leitzins von 20 % zu stoppen, so wie das die Fed 1980 getan hat, ist heute nicht mehr möglich. Im Zuge entgleisender Inflationsraten wird sich die Frage nach der Geldstabilität stellen, heute noch prägnanter als damals. Zu den wenigen guten Nachrichten jenes Jahrzehnts zählte physisches Gold, dessen Preis sich hervorragend entwickelte und seinen Besitzer Schutz bot (bis zur Rosskur der Fed, die heute in dieser Form nicht mehr anwendbar ist). Mit Sicherheit wird das gelbe Metall dieser Rolle erneut gerecht werden.

Ausblick

Wir sind den dunklen und stürmischen 1970er Jahren dank umfassender Steuersenkungen, einer weitreichenden Liberalisierung der Wirtschaft (Telekommunikation, Luftwesen, Finanzwesen etc.), der Eindämmung des Haushaltsdefizits, positiver Realzinsen und des Verbots zum Gelddrucken entkommen (aus diesem Grund blieb auch der Goldkurs in den 1980-er und 1990-er Jahren stabil, es gab de facto fast einen neuen Goldstandard). Mit dem neugewonnenen Vertrauen des Westens in sich und seine Fähigkeiten kamen auch neuer Schwung und Optimismus. Es war die Zeit von Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Ist eine solche Hoffnung heute denkbar? Wir werden sie brauchen, denn andernfalls könnte sich die Lage zu sehr verschlechtern.

Quelle: GoldBroker.com

Philippe Herlin ist ein Finanzanalyst und Doktor für Wirtschaftswissenschaften beim Conservatoire National des Arts et Métiers in Paris. Als Befürworter von Risikotheorien, wie sie von Vordenkern wie Benoît Mandelbrot und Nassim Taleb entwickelt wurden, und als Verfechter der Österreichischen Wirtschaftsschule wird er seine Ansichten zur aktuellen Krise, zur Eurozone, zur Staatsverschuldung und zum Bankensystem einbringen. Nachdem er bereits ein Buch zum Thema Gold geschrieben hat, welches heute ein Standardwerk der Branche ist („L’or, un placement d’avenir“, Eyrolles 2012), hofft er, dass das Edelmetall in unserer Wirtschaft künftig wieder eine bedeutendere Rolle einnehmen wird, bis hin zur vollständigen Monetarisierung.

Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen im Rahmen von Gastbeiträgen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung von Goldreporter dar.

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