Die EZB steckt unter allen Notenbanken am dicksten in der Klemme. Während andere schon die Zinsen anheben, muss sie neue Idee schmieden, um den Euro zu retten. Gold profitiert von der Dauerkrise.
Von Jürgen Fröhlich
Krisen-Konvolut
Was wir derzeit an Widrigkeiten erleben, sind die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Prosperität. Und dabei sind die finanziellen Folgen dieses Krisen-Konvoluts noch nicht einmal vollständig bei den Bürgern angekommen. Augenscheinlich sind die steigenden Preise. Noch nicht für alle sichtbar ist der schleichende Niedergang des Euro.
Dass sich die Zentralbanken mit ihrer geldpolitisch hochexpansiven „Alles-Rettung“ in eine Zwickmühle manövrieren, war schon frühzeitig klar. Zügellos Geld gedruckt wurde spätestens seit der Finanzkrise von 2008. Ähnlich wie in der Ausgabenpolitik der Staaten galt seither die Devise: Shoot first, think later (Erstmal machen, um die Probleme kümmern wir uns später). Und jetzt haben wir sie, die Probleme.
Neuer Wein in alten Schläuchen
Lange Zeit schien die Rechnung aufzugehen. Die Politik machte mehr Schulden, um Banken, Unternehmen und auch ein paar Wähler vor dem Ruin zu retten. Was kann schon falsch daran sein, im Sinne von Keynes, die Konjunktur zu stimulieren und die Kosten später durch eine boomende Wirtschaft und steigende Steuereinnahmen wieder hereinzuholen?
Der niedrige Zins beflügelte die Tech-Branche und den Immobilienmarkt. Nullzinspolitik und Defizit-Finanzierung können vorübergehend funktionieren. Aber wenn die Ausnahme zur Regel wird, dann kann etwas nicht stimmen. Mit Kredit finanzierter Wohlstand ist nicht nachhaltig. Das auf Schulden gebaute Kartenhaus bricht irgendwann zusammen.
Kern der Inflation
Und in der Tat, die Zinsen waren lange Zeit sehr, sehr niedrig. Dabei machte sich die Inflation zunächst nur auf den Asset-Märkten breit (Aktien, Anleihen, Immobilien, Sammlerobjekte, Kryptos, vielleicht auch Gold). Doch die nun stark steigenden Verbraucherpreise sind mehr als nur das Ergebnis erhöhter Energiepreise aufgrund des Krieges in der Ukraine und stockender Lieferketten im China-Handel. Sie sind vor allem auch das deutliche Zeichen einer immer stärker aufgeweichten Währung.
Inflation ist ein monetäres Phänomen. Wer ständig mehr Geld druckt, als die Volkswirtschaft an realem Gegenwert leistet, schwächt systematisch dessen Kaufkraft.
Und nun gibt es auch konkrete Hinweise aus der Praxis. Denn die Inflation ist zwar auch in der Schweiz gestiegen. Allerdings sehen wird dort mit zuletzt 2,9 Prozent eine geradezu moderate Inflationsrate. Auch die Eidgenossen sind abhängig von russischem Gas. 43 Prozent der Gasimporte kommen aus russischen Pipelines.
Aber ein fester Schweizer Franken wirkt steigenden Importpreisen entgegen. Und die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Dinge deutlich besser unter Kontrolle als die EZB. Denn die SNB hob den Leitzins bereits an, während man in Frankfurt bis zuletzt weiter haderte – trotz des erheblich höheren Inflationsdrucks. Damit wird der Außenwert des Frankens weiter gefestigt. Das ist zwar nicht das primäre Ziel der SNB, wirkt sich aber mildernd auf die Inflation aus.
Auch in den USA sehen wir Pläne der Fed, den Leitzins aggressiv zu erhöhen. US-Notenbank-Chef Jerome Powell schloss im Rahmen der jüngsten Anhörung vor dem US-Kongress sogar Zinsschritte von 100 Basispunkten nicht aus.
Probleme des Euro
In der Eurozone rächt sich einmal mehr die systematisch ignorierte Divergenz der wirtschaftlichen Leistungs- und Leidensfähigkeit ihrer Mitglieder. Ein und dieselbe Geldpolitik für so stark unterschiedliche Volkswirtschaften ist und bleibt ein Kernproblem der Währungsunion.
Also muss sich die EZB neue Tricks ausdenken, um die Schwächen des Eurosystems auszubügeln. Dabei benutzt man stets Begriffe, die professionell klingen und den Eindruck erwecken, man wisse, was man tut. Allerdings sind es immer neue geldpolitische Experimente, die zuvor noch nie durchgeführt wurden. Genau wie die Quantitative Lockerung oder Negativzinsen.
Die Zinsen (Anleiherenditen) der Euro-Südländer stiegen zuletzt stärker als die der Euro-Kernländer. Die EZB nennt es vornehm Fragmentierung. In der Eurokrise hieß das noch irgendwie anders. Ich kann mich nicht genau erinnern. Demnächst bekommen wir also ein De-Fragmentierung-Programm präsentiert. Die europäischen Geldpolitiker werden versuchen, erneut gleiche Verhältnisse zu suggerieren, wo Ungleichheit nicht mehr zu verleugnen ist.
Das Spiel mit der Zeit
Die EZB muss abermals auf Zeit spielen und die bestehenden Probleme in die Zukunft verschieben. Einfach ausgedrückt: Die EZB druckt wieder Geld, um den Euro zu retten, man verteilt es diesmal nur etwas anders. Der Euro muss unter allen Umständen gehalten werden. So steht es auf der politischen Agenda. Ich könnte nun weiter vorausschauen und den Weg der Gemeinschaftswährung bis zu seinem wahrscheinlichen Ende skizzieren. Wie viele Krisen sollen geldpolitisch noch „überdruckt“ werden?
Mir reicht an dieser Stelle jedoch die Feststellung, dass man eine Währung nicht unendlich verwässern kann. Irgendwann ist sie dem Untergang geweiht. Dafür gibt es unzählige Beispiele in der Geldgeschichte. Und wenn sich das Vertrauen in den Euro und in die EZB in Wohlgefallen auflöst, dann kommt auch die Stunde des Goldes.
Gold als Gegenentwurf
Die Menschen suchen jetzt schon nach Fluchtwährungen, um ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen. Gold hat in dieser Hinsicht über Jahrtausende hinweg ein gutes Renommee erworben, um es einmal elegant zu formulieren. Es war zu allen Zeiten gutes Geld. Und es lässt sich so schlecht verwässern. Gold ist der natürliche Gegenentwurf zum beliebig vermehrbaren Kreditgeld. Klar, es ist nicht sonderlich modern – geradezu archaisch. Aber eines ist nicht zu verleugnen: seine Nachfrage steigt in Krisenzeiten. Und die Welt kommt einfach nicht aus der Dauerkrise.
Goldpreis-Perspektive
Das heißt, die Voraussetzungen für einen weiteren Goldpreis-Anstieg sind mehr als gegeben – besser: die weitere Abwertung der Fiat-Währungen gegenüber Gold. Die Edelmetall-Nachfrage wird nicht abflauen, im Gegenteil. Und auch den jüngsten Sturm, der zuletzt über die Finanzmärkte fegte, hat das Edelmetall bislang recht gut überstanden: Rutschende Aktien-Kurse, ein Crash bei den Kryptowährungen, rasant sinkende Anleihe-Kurse (steigende Renditen). Alles Finanzwerte. Auch die Zentralbanken setzen auf Gold, kaufen es zu, holen es heim – als stabilisierender Faktor. Sie reden nur nicht gerne darüber.
Und so steht im Mittelpunkt unserer Kursanalysen auch weiterhin der Goldpreis auf Euro-Basis. Denn wir (die Redaktion und die meisten unserer Leser) leben in der Eurozone. Wir sind der Euro-Inflation ausgesetzt und kaufen Gold und Silber in Euro. Und unter den geschilderten Bedingungen ist jeder größere Einbruch beim Goldpreis eine gute Kaufgelegenheit.
Den Tag streiche ich rot im Kalender an.
GR absolut gleicher Meinung mit maruti, bzw. umgekehrt.:)
Es ist genau so wie Sie schreiben. Super, ich bin wahrlich begeistert.
Heute wieder mal so ein Tag. Gegen Mittag, wo alle zum Essen sind, jubelt man still und heimlich den DAX hoch, verleitet ein paar unbedarfte Anleger und lässt diesen dann gegen Nachmittag heftig abstürzen. Nach Börsenschluss manipuliert man ihn wieder etwas rauf.
Wie schrieb Herr Piepenburg kürzlich.
Es gibt keinen Aktien-Markt, das sind EZB oder FED Märkte.
Nun, diese Erkenntnis haben Goldanleger schon seit 40 Jahren gewonnen.:)
Also, wie Sie schreiben, Rücksetzer zum Kauf nutzen, aber bitte laut gegen Westen „Danke“ rufen nicht vergessen.
Heute nur die ersten 3 Artikel bei Spiegel Online und man sieht, wo die Reise hin geht.
1.) Der Chef der Bundesnetzagentur sieht eine Verdreifachung der Gasrechnung für Privathaushalte
(die Weltmarktpreise sehen eine Versechsfachung, mindestens….)
2.) Der Kinderbuchautor redet von einem langen harten Winter….
3.) IFO Index geht aus Angst vor Gasknappheit in die Knie.
Die Amateure sind in reiner purer Panik:
Jetzt denkt Habeck auch über die Verstaatlichung von Nordstream 2 nach.
Könnte den mal jemand darüber informieren, dass eine verstaatlichte Pipeline ein klein wenig nutzlos ist, wenn der Typ in St. PETERSBURG am anderen Ende der Leitung da kein Gas rein lässt ?
Ok, nur ein kleines Detail, aber vielleicht…..
Für einen Kinderbuchautor vielleicht zu komplizierte Sachverhalte.
Und: 50 % der Leitung gehört 4 Europäischen Energiekonzernen, EON/Uniper, Shell, OMV.
Viel Spaß mit deren Rechtsabteilungen.
Nach unserem Recht gibt es Enteignung nur gegen Entschädigung.
Gut, zahlt der Steuermichel halt 5 Milliarden für eine leere Leitung.
Ist jetzt auch egal.
Solchen Leuten soll ich mein Geld anvertrauen ?
Dann lieber klein, rund und schwer…..
Politiker konnten noch nie mit Geld umgehen. Das Wort „sparen“ hört man auch jetzt nicht .
Der Staat sollte alle seine Etats um 20% kürzen, dann hätte er für wichtige Aufgaben genug Geld. Und um die dringend notwendige Lebensarbeitszeitverlängerung drückt er sich aus politischer Feigheit. Politiker müssten für Fehlentscheidungen haftbar gemacht werden.
@Horst-Tilo Prof.dr.dr.beyer
Sehr human. Bevor man Menschen bis 70 Jahre an die Werkbank schickt,
nur um Rente zu sparen und gleichzeitig Rentenbeiträge zu kassieren,
könnten die 3,5 Millionen Hartz 4 Bezieher doch erst einmal in den Arbeits-
prozess eingegliedert werden. Ihre Professur bezieht sich auf BWL?
Das Sparziel von 20% ist natürlich o.k.
@goldhase
Rente mit 70 in Deutschland wird wohl kommen.
Derweil ist nach der Wahl die Rente mit 65 in Frankreich vom Tisch.
Was heisst, die Franzosen gehen mit 58 in Rente und die Deutschen eben mit 70.
Warum ist das so schlimm ?
Es gibt genug Beispiele, wo auch fast 80 jährige noch arbeiten. US Potus Biden, der kann das, auch Soros, der auch. Also wird es der Dachdecker wohl auch können.
Die Deutschen sollten sich mehr am Riemen reissen und die Ärmel endlich hochkrempeln.Jawoll.
(Das war wieder mal typisch maruti)
Wer merkt’s nicht – schöne Rentenerhöhungen, teilw. prima Tarifabschlüsse, etc… Auf mich wirkt das, als wenn es jetzt langsam Sch…egal wird, nochmal hier und da Geld zu verteilen. Das hält die „Kurzdenker“ der großen Masse erstmal ruhig, die sich kurzzeitig über mehr Kohle in der Tasche freuen! Eben bevor das dicke Ende nachfolgt – ein paar Milliarden mehr Schulden machen ja auch nix mehr, bevor das Endspiel endgültig zuende geht… Oder sehe ich das falsch??? Da übersieht man dann leicht, daß das Kilo Erdbeeren inzwischen rd. DM 20,– kostet. So könntet man stundenlang beibleiben…!
Also weiter rein in AU – in aurum veritas!
Dr. GoldenEye (alle Kassen)
Goldeneye
Ich lese zur Belustigung und als Frühindikator die Kommentare bei SPIEGEL.
Sogar denen reicht es langsam.
Wenn an auf den Post, dass die Ampel mit aller Kraft an der Verarmung von 80 % der Bevölkerung arbeitet, 70 % Zustimmung bekommt, ist was los.
Goldeneye:
Sie sehen das richtig. Die Reaktionen auf die angekündigte Erhöhung des Leitzinses durch die EZB und deren Gegenreaktion zeigt m.E., dass das Thema Eurorettung durch ist. Wir steuern auf eine Währungsreform zu. Die Frage ist nur, wann es soweit sein wird. Bis dahin werden Schulden gemacht, die ohnehin nicht zurückgezahlt werden. Meine paar Pieselotten werde ich in nächster Zeit unter die Leute bringen. Die Worte Lindners (“in wenigen Wochen oder Monaten..“) sind m.E. ein bemerkenswerter Hinweis darauf, dass die Hütte brennt.