Immer mehr Publikumsmedien berichten jetzt besonders kritisch über die europäische Rettungspolitik. Ein Schuldenschnitt in Griechenland – am besten mit Euro-Austritt – wird zunehmend propagiert. Was steckt dahinter?
Die deutsche Presse scheint sich derzeit gegen die geplanten Rettungsmaßnahmen für Griechenland einzuschießen. Viele sonst in dieser Angelegenheit eher zurückhaltende Medien lassen erkennen, dass sie einen Schuldenschnitt in Griechenland für die bessere Lösung halten, möglicherweise sogar ein (freiwilliges) Ausscheiden der Griechen aus dem Euro. Einige üben heftige Systemkritik. Hierzu einige Beispiele:
„Europa auf dem Weg in die Transferunion“, FAZ.net
Die Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen benennt gleich ihre gesamte Rubrik/Artikelsammlung zum Thema europäische Schuldenkrise mit einem besonders aussagekräftigen Titel: „Europa auf dem Weg in die Transferunion“
„Griechenland spart sich tiefer in die Krise“, FTD
Financial Times Deutschland skizziert, warum das neue Konsolidierungspaket die griechische Wirtschaft noch tiefer in die Rezession stürzen wird.
„Zweifelhafte Werte“, Der Spiegel
Spiegel online berichtet über die hohen finanziellen Risiken, die sich mittlerweile in der Bilanz der Europäischen Zentralbank angesammelt haben und die irgendwann auf den deutschen Steuerzahler zurückfallen könnten.
„Griechischer Währungsabschied rettet den Euro„, Handelsblatt
Das Handelsblatt transportiert mit den Aussagen des FDP-Politikers Frank Schäffler die Idee eines Euro-Austritts Griechenlands.
„Der Staat allein“, Die Zeit
„Wartet man noch lange mit der Umschuldung, ist sie sinnlos“, lautet der Vortext zum Artikel. Es folgt deutliche Kritik an Brüssel und Berlin im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Griechenland.
Auch wenn EU-Systemkritik in den Publikumsmedien zunehmend salonfähig zu werden scheint, wer jetzt glaubt, die großen Verlage kehrten der Regierung damit vollends den Rücken, der könnte sich getäuscht sehen. Denn Finanzminister Wolfgang Schäuble legt derzeit besonders großen Wert darauf, sich als Stabilitätspabst zu positionieren. Die deutschen Medien-Berichte dürften ihm somit durchaus gefallen. Siehe: „Schäuble geht auf Konfrontationskurs zur EZB“, Die Welt
Nach der „Atomwende“, die erst durch ein eindeutiges Meinungsbild in der deutschen Bevölkerung („Sofort raus aus der Kernenergie“) ermöglicht wurde, könnten Proteste gegen die Rettungspläne der EU das Stimmungsbild in Deutschland auch in Sachen Euro-Schuldenkrise schnell in eine Richtung verändern, die die Regierung massiv unter Druck bringt.
Möglicherweise will sich Schäuble hier rechtzeitig in Stellung bringen, um später darauf zu verweisen, dass seine Partei immer darauf hingearbeitet habe, private Gläubiger an den Kosten zu beteiligen. Zudem gilt es, den in Bezug auf neue Rettungspakete kritischeren Koalitionspartner FDP bei Laune zu halten.
Ein tatsächliches Ausscheren der Deutschen aus dem Euro und damit eine Abkehr Deutschlands von der Europäischen Integrationsidee ist dagegen politisch völlig ausgeschlossen. Dafür haben die ehemaligen Besatzungsmächte die deutsche Wiedervereinigung (und möglicherweise auch die deutschen Goldreserven) als Pfand erhalten. Also müssen die Griechen raus!
Wie das Euro-Abenteuer endet, bleibt abzuwarten. Die Politiker in Brüssel werden ihr Rettungsprogramm um jeden Preis durchzusetzen versuchen. Es geht ja schließlich auch um ihre Jobs.
Goldreporter
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