Die chinesische Zentralbank strebt mehr denn je danach, ihre Reserven mit Gold zu diversifizieren, während sie gleichzeitig diskret bleibt.
Von Julien Chevalier
Während sich alle Blicke auf die Staaten zu beiden Seiten des Atlantiks richten, wo es aktuell zu Turbulenzen an den Finanzmärkten kommt, nutzt China die Situation, um große Mengen Gold zu kaufen. Zum ersten Mal seit mehreren Jahren hat die Chinesische Volksbank (PBOC, People’s Bank of China) neue Daten zu ihren Käufen veröffentlicht. Dieses neue Vorgehen ist nicht unbedeutend und bezeugt den Willen des Landes, sich am Goldmarkt als entscheidender Akteur durchzusetzen. Das Reich der Mitte ist offiziellen Angaben zufolge heute der Staat mit den sechstgrößten Goldreserven weltweit.
Immer größere Goldmengen
Während zahlreiche Zentralbanken ihre Goldbestände aufstocken, erweist sich die Chinesische Volksbank zu Beginn dieses Jahres als einer der wichtigsten Käufer. Seit Ende 2022 erwirbt sie signifikante Mengen des gelben Metalls. Die Daten der PBOC und des Staatlichen chinesischen Devisenamts zeigen, dass China seine Goldreserven im April den sechsten Monat in Folge erhöht hat und damit die umfangreichsten Goldkäufe seit September 2019 tätigt. Das Land hat demnach im Laufe der letzten Monate insgesamt mehr als 100 Tonnen Gold zugekauft, wodurch die Bestände offiziellen Daten zufolge auf mehr als 2076 Tonnen ansteigen.
Dafür gibt es gute Gründe: die Zunahme der geopolitischen Spannungen, insbesondere in der Ukraine und in Taiwan, die wirtschaftliche Abkühlung und die Absicht des Landes, die Entdollarisierung der Welt voranzutreiben. Die zahlreichen Handelsaktivitäten, die China zuletzt in anderen Währungen als dem Dollar abwickelte, bezeugen dies. Dies geht so weit, dass der Yuan nunmehr zur meistgenutzten Währung in den grenzübergreifenden Transaktionen Chinas avanciert. Die Goldkäufe werden also wahrscheinlich andauern, solange der Dollar seine monetäre Hegemonie beibehält – und das könnte lange dauern. Dem ehemaligen Chefredakteur der Finanzseite MarketWatch, Thom Calandra, zufolge, sollte China „seine Reserven angesichts der langsamen Tendenz zur Entdollarisierung weiter ausbauen“. Nach Angaben des IWF war das Reich der Mitte in der Zeit zwischen 1999 und 2021 der zweitgrößte Goldkäufer weltweit.
Auf der anderen Seite geht das Handeln der Chinesischen Volksbank mit dem wirtschaftlichen Wiederaufschwung des Landes einher. Trotz bestimmter struktureller Schwächen erholt sich die Industrieproduktion im April mit einem Plus von 5,6 % und die Wirtschaft kann im ersten Quartal wieder ein Wachstum von 4,5 % vorweisen. Nach Angaben von Wang Lixin, Regionaldirektor des World Gold Council in China, sollte „der Wirtschaftsaufschwung das Wachstum der allgemeinen Goldnachfrage im Land begünstigen“. Er fügt hinzu, dass „die Investoren angesichts der geopolitischen und finanziellen Risiken eher geneigt sind, sich stärker auf traditionelle sichere Häfen wie Gold zu konzentrieren“.
China bricht das Schweigen
In den letzten beiden Jahrzehnten veröffentlichte China nur von Zeit zu Zeit den Umfang seiner Goldkäufe. Das Land meldete insbesondere 2016 und 2019 eine Erhöhung seiner Reserven, nur um sich von 2019 bis 2022 komplett in Schweigen zu hüllen.
Während anonyme Goldkäufe unter den Zentralbanken keine Seltenheit sind, nutzt die chinesische Regierung diese Möglichkeit schon seit Jahrzehnten aus, um den wahren Umfang ihrer Goldbestände nicht offenlegen zu müssen. Doch seit November 2022 hat sich der wirtschaftliche und geopolitische Kontext geändert und China macht seine Daten seitdem vollkommen öffentlich zugänglich. Den Analysten zufolge lässt sich dies auf ein ganz bestimmtes Ziel zurückführen. Für Willem Middelkoop, Investmentdirektor und Gründer des Commodity Discovery Fund, „hat China erneut begonnen, seine Käufe öffentlich zu machen, weil das Land der Welt zeigen will, dass es über eine internationale Währung verfügt“. Gold wird schließlich schon seit jeher als Währungsstandard par excellence angesehen.
Tatsächliche Goldbestände unterschätzt
2076 Tonnen: Ist das der tatsächliche Umfang der chinesischen Goldreserven? Wahrscheinlich nicht. Die Intransparenz der chinesischen Führung ist der breiten Öffentlichkeit bekannt und hinsichtlich der Anzahl der Goldbarren im Besitz des Landes scheint sie besonders ausgeprägt zu sein. Angesichts der Tatsache, dass China die zweitgrößte Volkswirtschaft weltweit ist, über umfangreiche Devisenreserven, aber nur einen geringen Anteil an Goldreserven verfügt (offiziell 3 % der Währungsreserven), und seit mehreren Jahren versucht, die Multipolarisierung der Welt voranzutreiben, schien es schon immer erstaunlich, dass das Land nur der sechstgrößte Goldbesitzer sein soll. Auf der anderen Seite ist das Reich der Mitte der größte Goldimporteur weltweit, aber auch das Land mit der größten Nachfrage und der höchsten Goldproduktion. Im Laufe der 2010er Jahre entfielen rund 15 % der globalen Goldförderung auf China.
Die offiziellen Daten stiften umso mehr Verwirrung, da die Zentralbank monetäres Gold kauft, während die – äußerst zahlreichen – chinesischen Investoren nicht-monetäres Gold kaufen. Da alle Käufe nicht-monetären Goldes über die Shanghai Gold Exchange (SGE) abgewickelt werden (wo sie aus steuerlichen Gründen erfasst werden), werden sie im Gegensatz zu den anderen Käufen automatisch veröffentlicht. 2014 erklärte der Vorsitzende der Shanghai Gold Exchange, dass „die Chinesische Volksbank kein Gold mittels der SGE erwirbt“. Sie kann den Umfang ihrer Goldbestände also leicht verschleiern – und außerdem Gold in Dollar kaufen, um ihre Reserven zu diversifizieren (an der SGE wird Gold in Yuan gehandelt).
Es erweist sich als schwierig, die wahre Menge an Goldbarren zu ermitteln, die sich im Besitz der PBOC befinden. Basierend auf dem Vergleich zahlreicher Studien schätzen wir, dass sich die Reserven auf mehr als 4000 Tonnen belaufen, also in etwa auf das Doppelte der offiziellen Angaben. China kann es sich erlauben, aktiv in den Goldmarkt einzugreifen, da das Land dank der Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft von Deng Xiaoping seit den 1990er Jahren über einen Leistungsbilanzüberschuss verfügt. Angesichts seiner Wirtschaftssituation in den letzten drei Jahrzehnten (die durch einen dauerhaften Leistungsbilanzüberschuss charakterisiert war) und den oben angeführten Gegebenheiten ist es in Wirklichkeit eher unwahrscheinlich, dass sich die Goldbestände Chinas insgesamt lediglich auf etwa 2000 Tonnen belaufen.
Fortsetzung der Goldkäufe
Vor dem Hintergrund der Finanzpanik in den USA notiert der Goldkurs heute in der Nähe von 2.000 Dollar je Unze. Die Bankenkrise und zunehmende Sorgen bezüglich des Wachstums der Weltwirtschaft wirken als entscheidende Antriebskräfte für die Nachfrage nach dem sicheren Metall. Die Zentralbanken sind am Goldmarkt äußerst aktiv und haben ihre Reserven im ersten Quartal dieses Jahr unterm Strich um 228 Tonnen aufgestockt. Das ist der höchste Wert über einen solchen Zeitraum seit 20 Jahren – und das nach den Rekordkäufen des Jahres 2022…
Dieser aktuelle Trend sollte sich fortsetzen, da nichts darauf hindeutet, dass wir von weiteren Bankenpleiten in den Vereinigten Staaten oder in Europa verschont bleiben. Im Gegenteil: Die Situation wird für die Geld- und Währungsbehörden immer unkontrollierbarer. Ein neuer Zwischenfall kann sich jederzeit ereignen. Das Ausmaß des internationalen Finanzsystems und die Konzentration im Bankensektor haben die Konsequenzen einer möglichen Ausweitung der Krise verstärkt.
In diesem Zusammenhang strebt die Chinesische Volksbank mehr denn je danach, ihre Reserven zu diversifizieren, während sie gleichzeitig diskret bleibt. Ziel ist es, sich in dem nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA beherrschten System als dominante Macht zu etablieren, für den Fall, dass es zu einer Reformierung des internationalen Wirtschaftssystems kommt. Daher ist auch auf vielen Wirtschaftsforen und Konferenzen zu Beginn dieses Jahres regelmäßig die Rede von der Rolle, die China am Goldmarkt zu spielen gedenkt.
Quelle: GoldBroker.com
Zum Autor: Als Student der Finanzwissenschaften und Redakteur bei Le Vent Se Lève hat sich Julien Chevalier auf Fragen der Geld- und Währungspolitik sowie auf die Rolle der Zentralbanken spezialisiert. Er ist überzeugt, dass eine andere Geldpolitik möglich ist und interessiert sich insbesondere für deren Einfluss auf wirtschaftliche und politische Entscheidungen.
Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen im Rahmen von Gastbeiträgen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung von Goldreporter dar.
China hat sicherlich schon jetzt die grössten Goldbestände,für die Amis gilt in erster Linie soll gehabt haben…..einschliesslich der dort lagernden unkontrolliebaren deutschen Reserven.